Samson beißt sich durch

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Inhalt
Kiew, 1919. Als sein Vater auf offener Straße getötet wird, ist Samson Teofilowitsch Koletschko Vollwaise. Bei dem Angriff ist sein Ohr abgeschnitten worden, das er fortan in einer Bonbondose aufbewahrt. Als man den Schreibtisch seines Vaters irrtümlich beschlagnahmt, schreibt Samson eine Beschwerde an die neue sowjetische Polizei. Dort hinterlässt er Eindruck und wird eingestellt. Beflissentlich macht er sich an seine neue Aufgabe. Sein erster Fall hat es in sich: einige Tote, viel gestohlenes Silber und ein unfertiger Maßanzug aus bestem Stoff. Und da ist auch noch die fesche Nadjeschda Trofimowna, die im Amt für Statistik arbeitet und Samson sehr gefällt.


Meinung
Obwohl der Roman als in sich abgeschlossen betrachtet werden kann, wird am Ende deutlich, dass es sich erst um den Beginn einer Reihe handelt.
Der Autor steigt bedrohlich ein. Es ist keine leichte Zeit, in der Samson plötzlich allein dasteht. Seine Mutter und kleine Schwester sind einer Krankheit erlegen und der Vater nun erschlagen. Dazu die Wirren des Krieges und der Umwälzung einer ganzen Gesellschaft. Dass man ihn nicht allein in einer so großen, schönen Wohnung lassen würde, ist ihm klar. Aber so schnell hat er nicht mit der Einquartierung zweier Soldaten, Grobiane noch dazu, gerechnet. Da er verpflichtet ist, sie zu ernähren und kleiden, braucht er eine Arbeit. Wovon er und der Vater zuvor gelebt haben, wird nicht gesagt, es ist aber anzunehmen, dass Samson frisch aus der Schule kommt, da er stetig einen Gymnasiastenmantel trägt. Der junge Mann muss mit einem Schlag erwachsen werden. Die Schulkameraden, die er aufsucht, sind jedoch schon eine Weile in Lohn und Brot. Es ist also nicht ganz einfach auszumachen, wie alt Samson ist.
Durch das abgeschnittene Ohr hört Samson, was in dessen Nähe gesprochen wird, auch wenn er Kilometer entfernt ist. Dies allerdings nur zweimal, so dass es leicht ist, damit zurechtzukommen.
Seine Hausmeisterin sagt ihm, es wäre gut, sich eine eigene Familie anzuschaffen, um über den Verlust der anderen hinwegzukommen. Darum stellt sie ihm Nadjeschda vor, die aus gutem Hause stammt. Die Beziehung aufzubauen, ist nicht einfach. Wohin geht man aus, wenn es nachts lebensgefährlich auf der Straße ist und auch am Tage manchmal geschossen wird? Wenn Wohnraum knapp ist und die meisten jungen Menschen noch bei den Eltern wohnen? Sie treffen nicht oft aufeinander, wenn dann aber glaubhaft im Kontext und historischen Zeiten. Ob sie jedoch die Richtige für ihn ist, kann noch schlecht ausgemacht werden. In der Fortsetzung gibt es dahingehend sicher noch ein paar neue Aspekte.
Samson stellt sich seinen Aufgaben, wenn nicht immer bravourös, so doch festen Glaubens. Einige Tricks hat er aufgeschnappt; einen großen Schrank vor das Elternschlafzimmer geschoben, um die Wohnung kleiner wirken zu lassen. Das Ohr an gewissen Orten zurücklassend, um zu hören, was vor sich geht. Ein Dach über dem Kopf, regelmäßige warme Mahlzeiten durch die Arbeit und eine nette junge Frau. Samson ist damit glücklich. Sein Job missfällt ihm nicht so sehr wie er sollte, denn er findet Gefallen am Aufklären bzw. Rätsel lösen.
Kurkow erzählt stringent und ungeschönt, wenn auch nie übertrieben. Das wirkt manchmal etwas emotionslos, doch wer zwischen den Zeilen zu lesen vermag, findet alles, was es braucht. Samson trauert auf seine Weise, doch lässt er sich nicht unterkriegen und schaut in eine Zukunft, keine unbedingt düstere, obwohl die Umstände dafür sprächen. Er findet hier und da Gutes, nicht zuletzt deswegen will er seinen Job gut machen, eine Polizei schaffen, die Gerechtigkeit übt. Das übrigens auch durchaus gegen Widerstände, da er auch neue ungewöhnliche Wege dafür geht.
Gegen Ende zieht es sich leider ein bisschen und ich gebe zu, dass ich die Aufklärung am Ende nicht ganz verstanden habe. Ist es wirklich so profan gewesen oder ist mir etwas entgangen?
„Samson und Nadjeschda“ ist ein sehr guter Einstieg in eine historische Krimireihe. Zeit und Ort werden authentisch gezeigt, die Figuren sind sympathisch und das Geschehen ist glaubhaft. Ich würde jederzeit wieder etwas vom Autor lesen.