Von der Schwierigkeit, das Richtige zu tun

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Marta und Daniel sind seit zwei Jahren ein Paar, seit einem Jahr leben sie zusammen. Beide arbeiten in unsicheren Jobs, sie als Fotojournalistin, er als Drehbuchautor. Über Kinder haben sie noch nie gesprochen, geschweige denn sich großartig Gedanken dazu gemacht. Doch dann wird Marta ungewollt schwanger und sagt Dani, sie wolle das Kind nicht haben. Was das mit den beiden macht, beschreibt Marta Orriols absolut überzeugend. Die folgenden Tage bis zum Termin des Schwangerschaftsabbruchs werden abwechselnd aus Danis und Martas Perspektive erzählt, bei beiden setzt die Schwangerschaft Gedanken und Erinnerungen frei, es eröffnen oder verschließen sich Möglichkeiten, das Was-wäre-wenn bekommt plötzlich einen Stellenwert, den es vorher nicht hatte. Denn eine Entscheidung verhindert andere Wege, und gerade Dani, der seinen Vater früh verloren hat, kann sich auf einmal durchaus vorstellen, Vater zu werden, obwohl er sich auch bewusst ist, dass die Entscheidung allein bei Marta liegt. Und Marta möchte eigentlich nach Berlin ziehen, um ihre Karriere voranzubringen und sich nicht mehr von einem Job zum nächsten hangeln zu müssen.
Die Autorin wertet nicht, sondern beschreibt kammerspielartig, was mit einer eigentlich gefestigten Beziehung passieren kann, wenn etwas Unerwartetes geschieht. All die kleinen Gesten, Worte, Auseinandersetzungen bekommen plötzlich eine Bedeutung, die alles verändern kann. Orriols bleibt dicht bei ihren Figuren und entwirft gleichzeitig das Porträt einer Generation, die sich mit ihren prekären Jobs arrangiert und gleichzeitig Angst vor Entscheidungen hat. Es geht also um alles in diesem Roman, um lebensverändernde Entscheidungen und um das Erwachsenwerden, das mit einer gewissen Tristesse einhergeht (und deshalb vermutlich gern aufgeschoben wird, so man es sich leisten kann), die Partys sind nicht mehr so wild und die Freund*innen nicht mehr so lustig, weil sie sich mit ähnlichen Problemen herumschlagen.
Ein großartiger Roman, der dieses Gefühl, etwas entscheiden zu müssen, ohne die Folgen absehen zu können, wunderbar auf den Punkt bringt. Und der zeigt, wie wichtig eine legale Möglichkeit zur Abtreibung ist, um überhaupt eine Entscheidung treffen zu dürfen.