Zerreißprobe für die Beziehung

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missmarie Avatar

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"Eigentlich müsste man es doch an irgendetwas merken, wenn man ein Kind zeugt, selbst wenn man nicht damit rechnet, müsste einem doch irgendetwas Besonderes im Gedächtnis haften bleiben, oder nicht?"

Das ist nur einer der vielen Gedanken, die Danis Kopf fluten als er erfährt, dass seine Freundin Marta schwanger ist - und das Kind nicht will. Das ist auch irgendwie klar, denn so lange kennen sich die beiden nun auch wieder nicht. Vielleicht zwei Jahre sind sie zusammen und schon das Zusammenziehen kam ihnen wie ein riesiger Schritt vor. Zu lieb gewonnen ist die Freiheit, die sich beide aus der Jugend auch mit Anfang 30 noch bewahren wollen. Sowohl Fotografien Marta als auch Drehbuchautor Dani wollen das Leben in vollen Zügen auskosten: Reisen, mit Freunden essen, Feiern gehen, ungebunden sein, keine Verpflichtungen eingehen. Doch da ist auch Danis Sehnsucht nach Stabilität und Beständigkeit, denn mit den Veränderungen um sich herum kommt er nur schwer zurecht - sei es im Freundeskreis oder auf der Arbeit unter der neuen Chefin.

Marta Orriols erzählt nicht mal eine ganze Woche aus dem Leben des Paares. Die Romanhandlung setzt an einem Sonntagabend ein, für Ende der Woche ist die Abtreibung geplant. Doch was macht das mit einem Paar? Wie geht es den beiden in den Tagen dazwischen? Genau hier setzt die Autorin an und zeichnet ein feinfühliges Porträt, das die Gefühlsschwankungen zwischen "Klar, wir wollen doch kein Kind" und "Es ist doch unser Baby" genau nachzieht. Besonders spannend fand ich, dass Orriols große Teile des Romans aus Danis Sicht schreibt. Denn oft geht es beim Thema Abtreibung in erster Linie um die Frau (was unter dem Aspekt der Selbstbestimmung meiner Meinung nach absolut legitim ist). Die Sorgen, Wünsche und Gedanken des Mannes stehen in der Öffentlichkeit oft weniger im Mittelpunkt.

Das größte Lob muss man Orriols aber dafür aussprechen, wie sie dieses sensible Thema erzählt. Es geht ihr nämlich nicht um moralisches Gute und Böse wie es bei den Debatten in Amerika in jüngster Zeit immer wieder zu beobachten ist. Die Autorin bricht weder eine Lanze für die Abtreibung, noch entpuppt sie sich als strenge Gegnerin. Meiner Meinung nach geht es ihr auch gar nicht um das ethisch Dilemma, das sich hinter dem Thema verbirgt sondern, wie oben schon erwähnt, um die Frage, was die Entscheidung mit dem Paar macht. Und das erzählt sie unheimlich spannend. Ich habe mich die gesamte Zeit gefragt: Kriegen sie das Kind vielleicht doch? Trennen sie sich, weil sie gar nicht mehr zusammenfinden? Berappen sich die beiden nochmal? Das macht für mich ein gutes Buch aus und unter diesem Aspekt kann ich eine klare Leseempfehlung aussprechen.