Mitreissende Mitreise

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delizzy Avatar

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Ganz ehrlich gesagt hat mich das Cover ein bisschen befürchten lassen, dass es sich bei "Savannah" eher um einen romantischen Roman handeln würde, da der metallic-pinke Schriftzug und die Illustration eines sumpfigen Flussarmes in diese Richtung geht, aber bereits nach ein paar Seiten waren meine subjektiven Vorbehalte zerstreut und ich konnte sowohl die wirklich schöne Illustration als auch das Buch genießen.
Es ist eine lebendige, auf historischen Fakten beruhende Geschichte der ersten Siedler in South Carolina, damals noch eine unwegsame Sumpflandschaft und von Weißen unbewohnt.

Die Geschichte beginnt 1732 in Preussen und wir begleiten die junge Nellie, die nach einer Vergewaltigung schwanger wurde und und ihr Zuhause verlassen muss.
Schweren Herzens läßt sie ihre geliebten Geschwister zurück und macht sich auf den Weg zu einem ihr nur aus Erzählungen bekannten Cousin der Familie, und dort Unterschlupf zu finden.
Auf dem Weg dorthin begegnet sie einer Salzburger Familie, die aufgrund ihres protestantischen Glaubens ihre Heimat verlassen musste und nun ihr Glück im weit entfernten Amerika suchen will, denn dort werden vom Stadtgründer Oglethorpe Land und Freiheit für fleißige Siedler versprochen.
Trotz gegenseitiger Sympathie trennen sich ihre Wege bald wieder und Nellie verbringt einige Zeit bei ihrem Cousin und seiner Familie, die sie und ihr dort geborenes Kind hilfsbereit aufnehmen, aber sie möchte ihrem Cousin nicht für immer zur Last fallen und ergreift nach einigen Monaten die Gelegenheit, mit einem entfernten Verwandten zur Küste zu reisen, um ein Schiff nach Amerika zu besteigen.

Damit beginnt die eigentliche Reise erst so richtig.
Die lange Überfahrt im beengten Bauch des Schiffes, Stürme, Flauten und Krankheiten ließen mich wünschen, die Siedler mögen einfach nur bald ankommen und ihr neues Leben genießen können, aber die schwierigen Bedingungen fordern ihren Tribut.
Mit der Anlandung in South Carolina beginnt ein neues Kapitel im Leben der Auswanderer und ich war fasziniert von der Detailtreue und gut recherchiertem Hintergrund der Autorin, die den Aufbau der neuen Siedlung "Savannah" lebendig werden läßt.
Da ich selbst schon in den Südstaaten und sogar in Savannah war, kann ich die Mühen durch die hohe Luftfeuchtigkeit, die Moskitos und den Kampf gegen sumpfiges Gelände und Überflutung sehr gut nachvollziehen und habe mit Nellie und ihren Freunden gelitten oder mich gefreut, wenn sie eine gute Ernte erzielten oder eine Krankheit besiegten.

Ich konnte das Buch nicht mehr aus der Hand legen und wollte immer wissen, wie es weitergeht, zusehen wie die Siedlung wächst, miterleben, wie sich Naturgewalten, Katastrophen und menschliche Belange abwechseln und die Spannung durchgehend hochhalten.
Natürlich will ich nicht verraten, wie es Nellie und ihrer neuen Familie im Neuen Land ergeht, aber ich habe ihren Weg mit viel Freude, Anspannung und Mitgefühl begleitet und war oft dankbar dafür, in der heutigen Zeit mit ihren Annehmlichkeiten leben zu dürfen.

Malou Wilke läßt eine Epoche lebendig werden, über die man vielleicht weniger weiß als die klassische Siedlungsbewegung im Wilden Westen.
Sie beweist viel historisches Wissen, etliche der Figuren haben tatsächlich gelebt und der Roman zeigt einerseits die spannenden Anfänge einer völlig neuen Siedlung sowie die zwischenmenschlichen Beziehungen, die mit immer mehr Ankömmlingen auch komplexer und schwieriger werden.
Interessant sind auch die Begegnungen mit den dort ansässigen Ureinwohnern der Yamacraw, die sich in dieser Epoche noch friedlich gestalteten.

Der Schreibstil ist so lebendig, dass ich das Gefühl hatte, immer mittendrin dabei zu sein und mir persönlich gefiel auch, dass die wenigen Liebesszenen nicht künstlich ausgewalzt und episch beschrieben wurden. Das ist für mich immer etwas Gekünsteltes, das mich in einem nichtromantischen Roman nicht weiterbringt und hätte auch stilmäßig nicht in diese eher puritanische Zeit gepasst.

Ich freue mich bereits jetzt auf den zweiten Teil. Die Leseprobe am Ende des Romans hat eine schöne Aussicht auf ein weiteres spannendes Buch mit Nellie und den Siedler gegeben.