Anders, als erwartet: Maseratis Coming of Age

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Von Alina Bronsky habe ich eigentlich Ironie, beißenden Spott, absurde Begegnungen und jede Menge Übermut erwartet. Aber dieses Buch ist ganz anders, als die, die ich bisher las. Sanft, gedankenverloren, unsicher, die Hauptfiguren an der Grenze zwischen verspielten Kindern und jungen, unfertigen Erwachsenen. Eine Coming-of-Age-Geschichte in der ostdeutschen Pampa wird hier erzählt.
Maserati lebt auf dem Dorf, fernab der Großstadt hat sich ihre Oma mit ihr niedergelassen und betreibt eine kleine Gaststätte. Maserati, so ein Vorname muss einem ja auch erst einmal einfallen, aber da der kleine Bruder Paris heißt, ahnt man, woher der Wind weht. Die Mutter offenbar eine verkrachte Künstlerexistenz, der Vater nicht genau zu definieren, so kam Maserati aus "zerrütteten" Verhältnissen zu ihrer Oma, die nun als Erziehungsberechtigte leider in eine immer stärker werdende Demenz abdriftet, aber noch gut kochen kann. Den "Rest" stemmt Maserati als Vollzeitkraft und lässt die Schule sausen. Dass ihr Lehrer sie gern zurückholen würde, ändert nichts am Drama der Verhältnisse. Maserati sitzt die Angst im Nacken, dass irgend jemand merkt, dass die Oma nicht mehr als Erziehungsberechtigte taugt und sie und auch die Oma in ein Heim müssten. Denn Maserati wird im Buch gerade erst 17.
Und mit ihren 17 Jahren hat sie nun jede Menge um die Ohren, es zieht eine Familie ins Dorf, die alles andere als "pflegeleicht" ist. Annabell, die Mutter, ist ziemlich ungeeignet, sich um den halbwüchsigen Theo und seinen Cousin Casper zu kümmern, die beiden machen auf ihre Art Bekanntschaft mit Maserati und ihr auch abwechselnd und mit wechselndem Erfolg den Hof. Beide irgendwie mit Traumata behaftet, die erst nach und nach ans Licht kommen. Maserati ist mit Georg, einem tauben jungen Mann befreundet, den sie je nach Stimmung ausnutzt und benutzt, bis es ihm zu viel wird. Er geht als Gärtner und Haushälter in Annabells Villa und kommt als heimlicher Liebhaber wieder heraus. Nichts für die zarte Seele von Maserati.
Eine tragende Rolle im Buch spielt außerdem ein altes Schallplattencover, auf dem zur Verblüffung von Theo und Caspar ein Abbild von Maserati zu sehen ist, dass es ihre Mutter ist, weiß man von Anfang an, Theo hat sich die Platte zur Lebens- oder auch Sterbensmelodie auserkoren, das zieht sich durchs ganze Buch.
Die Gedanken und Erlebnisse von Maserati, Theo und Caspar sind liebevoll geschildert, man glaubt, die drei zu kennen am Ende des Buches. Ob man sie kennen möchte, sei dahingestellt, besonders, wenn man schon selbst im Oma-Alter ist.