Gelungener Sommerroman mit Anspruch

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In “Schallplattensommer” geht es um die sechzehnjährige Maserati, die zusammen mit ihrer Großmutter einen Imbiss betreibt. Zur Schule will sie nicht zurück, obwohl sogar der Klassenlehrer, der ihr großes Potenzial sieht, persönlich vorbeikommt. Maserati lässt ihn abblitzen. Sie bemerkt täglich aufs Neue, wie ihre Oma geistig und körperlich abbaut. Es bleibt alles immer mehr an ihr hängen. Ein wenig Leben kommt in das eintönige Leben zwischen Teigtaschen und Limonade als die alte Villa am Dorfrand neue Bewohner bekommt und damit gleich zwei Jungs in ihrem Alter. Diese versuchen auch gleich Kontakt aufzunehmen, doch Maserati, die als einziges Mädchen ihres Alters weit und breit Aufmerksamkeit gewohnt ist, gibt nicht viel darauf. Dennoch ist sie verunsichert, wenn der gutaussehende Jasper jeden Morgen bei ihren Schwimmrunden auftaucht und sie gerät endgültig aus der Fassung als Theo ihr Gesicht auf einem alten Schallplattencover entdeckt. Maserati bleibt nichts weiter übrig als sich endlich mit ihrer Kindheit auseinandersetzen und vielleicht zu beginnen, ein paar der Mauern um sich herum einzureißen.

Alina Bronskys Protagonisten sind oft sperrige Charaktere und auch Maserati ist nicht so leicht greifbar. Sie will nicht gefallen, nimmt ihr Umfeld kritisch aufs Korn und ist dabei herrlich zynisch. Immer wieder stößt Maserati Menschen, denen sie etwas bedeutet, vor den Kopf – mal beabsichtigt, mal ohne es zu merken. Ein Mädchen, das sich selbst noch nicht ganz gefunden hat, dabei aber trotzig behauptet. Vor dem Hintergrund der schwülen Sommerhitze und der vermeintlichen Leichtigkeit von Ferien thematisiert Alina Bronsky wie nebenbei die belastende Auseinandersetzung mit Suizidgedanken, Medienpräsenz, Demenz und sozialer Ausgrenzung. Wieder einmal gelingt es ihr, schwierige Themen ernsthaft und authentisch darzustellen und dabei mit dem zynisch-humorvollen Blick eines Teenagers dafür zu sorgen, dass die Leichtigkeit des Sommers spürbar bleibt und sonnige Moment bereithält. Zum Schluss bleibt die Gewissheit, dass Maserati ihren Weg gehen wird sowie die Hoffnung und Perspektive in Form eines Handys mit nur einer Nummer.

Mir hat “Schallplattensommer” richtig gut gefallen und ich habe die Begegnung mit den wenigen, dabei jedoch unglaublich authentischen unterschiedlichen Personen genossen. Nur an Maseratis Vornamen – sie heißt wirklich so – konnte ich mich nur schwer gewöhnen. Caspars nervtötendes Spiel, sie mit anderen Automarken zu necken, hat dazu ein Übriges beigetragen. Wer sich darauf einlassen kann, wird mit einem lesenswerten Coming-of-Age-Roman belohnt.

© Tintenhain