Sehr geehrte Frau Bronsky,

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angie99 Avatar

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das war leider nichts. Oder sagen wir mal: wenig.
Sie haben uns schon so viele interessante Charaktere geschenkt. Teils schrecklich unsympathische Leute, denen wir lieber nicht begegnen wollen - wie die tatarische Oma oder Barbaras Ehemann Walter – und für die dann durch Ihre pointierten Schilderungen doch ein Funke Verständnis überspringt. Und ich persönlich erinnere mich total gerne an die Sascha aus dem Scherbenpark, die mich mit ihrer Impulsivität völlig überrannt hatte, die ich abwechslungsweise tröstend in die Arme nehmen oder sie für ihr provozierendes Verhalten an die Wand klatschen wollte, auf jeden Fall konnte ich beim Lesen kaum stillsitzen, weil ich so mit ihr mitgefiebert hatte.
Und nun wollten sie uns wahrscheinlich eine zweite Sascha vermachen, ein hart wirkendes Mädchen, das aber so geworden ist, weil es eigentlich tief verletzt ist. Sie haben es Maserati genannt, um einen Running Gag mit verschiedenen Automarken zu kreieren, damit man wenigstens ein paar Mal grinsen kann.
Maseratis Verletzungen haben Sie in ein großes Geheimnis gestopft, so wie ihre Oma die Füllung in ihre berühmten Teigtaschen. Wir Menschen sind nun mal so gestrickt, dass wir nicht gerne über Dinge reden, die irgendwann passiert sind und über die wir nicht länger nachdenken wollen – deshalb passt das ins Konzept.
Weil diese Grundidee also so wunderbar nachvollziehbar ist, stellen Sie noch ein paar weitere Teigtaschenfiguren mit Geheimnisfüllung her und lassen Sie dann in und neben einen gefährlich idyllischen Dorfteich fallen, wo sie so lange herumgeschubst werden, bis sie aufplatzen.
Nun muss ich neidlos anerkennen, dass Sie uns dieses Hin und Her ganz unterhaltsam und flüssig präsentieren, es wird nie langweilig, wir fragen uns sogar manchmal, was in den Füllungen wohl drin sein möge, das bringt ein bisschen Spannung rein. Doch leider wirkt es als Mahlzeit einfach ein bisschen lustlos.
Nehmen Sie es mir nicht übel, werte Frau Bronsky, aber ich weiß, dass sie das besser können! Sie können schonungslos böse und gleichzeitig so zärtliche Sätze schmieden, dass es in Mark und Bein geht. Doch Ihre Fähigkeiten haben Sie bei diesem Roman leider nicht unter Beweis gestellt. Herausgekommen ist ein fades Teigtaschenmenü, in das zwar deftige Zutaten reingestopft wurden, aber nach so wenig schmeckt, dass man nicht weiß, ob es sich um Dreierlei Hack (natürlich bio!) oder Gemüse handelt.
Und sie uns auf den Tisch geknallt wie Maserati an ihren schlechten Tagen.
Da schon „Das Geschenk“ wie zu wenig lange gegart auf mich gewirkt hat, frage ich mich, ob Sie einfach nur unter Zeitdruck leiden. Drei Bücher in nicht einmal einem Jahr, das ist so irre produktiv, dass es wahrscheinlich nur noch als Fließbandarbeit geht. Und anscheinend leidet da die Qualität ein wenig.
Liebe Frau Bronsky, ich würde Ihnen deswegen dringend raten, sich für Ihren nächsten Roman mehr Zeit zu lassen. Damit sich Ihr eigenwilliger Stil, Ihre Spitzzüngigkeit und Sprachgewandtheit wieder so richtig entfalten können. Dann könnte ich dieses Buch hier einfach unter Stolperer verbuchen und vergessen.
Erwartungsvoll,
Ihre treue Leserin