Wenn das Leben wieder einmal hart zuschlägt,...

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elke seifried Avatar

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„Auch in Omas guten Phasen fragte sie sich immer häufiger, auf welchem Planeten diese eigentlich lebte. Offenbar ging sie davon aus, dass Maseratis Tag achtundvierzig Stunden hatte. Als wäre das alles nicht genug, hatte es auch noch der benachbarte Kirschgarten auf eine Internetseite geschafft, die »Ausflugsziele, die noch niemand kennt« anpries. Das bescherte unter der Woche neue Gäste aus der Stadt, die zum Kaffee Kuchen wollten, gern auch leichte Mahlzeiten, am liebsten Fisch, notfalls gebackenen Käse. Die Teigtaschen stapelten sich in der Tiefkühltruhe, und Maserati fuhr mit dem Fahrradanhänger zwischen dem Discounter und der Gaststätte hin und her, um neue Zutaten zu holen, bis sie Wadenkrämpfe bekam.“ Noch mehr Arbeit bekommt Maserati als in die lange leer gestandene Villa in der Nachbarschaft eine Familie einzieht. Handwerker, Gärtner, alle wollen bewirtet werden und auch die wohlhabende Familie samt ihrer zwei Jungs Caspar und Theo, reihen sich unter die Gäste. Mehr als nur diese werden sie sehr zum Leidwesen von Maserati, denn der eine stört scheinbar mit größtem Vergnügen ihr tägliches Schwimmritual am See und der andere meint sie auf einem alten Schallplattencover erkennen zu können und bohrt nach.

Alina Bronsky hatte mich mit ihrer Geschichte um Maserati sofort wieder in ihren Fängen. Ich hatte nicht nur Mitleid mit dem geheimnisvollen Mädl, das scheinbar nicht einfach unbeschwert Jugendliche sein darf, stattdessen für ihre Oma im Bistro bis zur kompletten Erschöpfung schuften muss und die niemanden an sich heranlassen will, obwohl sie von der Männerwelt angeschmachtet wird, sondern auch meine Neugier war schnell geweckt. Ich wollte unbedingt wissen, was es mit dem Foto auf dem Schallplattencover, das ihr so ähnlich sieht, mit Maseratis Eltern und mit der Tatsache, dass sie nicht zur Schule geht, auf sich hat, natürlich auch, warum sie so verschlossen ist. Der gewohnt geheimnisvolle Schreibstil, der vieles nur andeutet, hat die Spannung für mich kontinuierlich aufrecht erhalten, zumal ja auch die Geheimnisse erst nach und nach gelüftet werden. Dabei präsentiert die Autorin wieder einmal ergreifende Schicksalsschläge, die einen als Leser einfach sehr betroffen machen müssen. Stellenweise hat es mir fast das Herz verrissen. Die nüchtern, scharfzüngige Ausdrucksweise der Autorin, die viel zwischen die Zeilen packt, passt zu ihren Darstellern. Immer wieder hat sie es auch geschafft mich wehmütig lächeln und schmunzeln zu lassen.

Maserati ist mit ihrer Art authentisch und glaubwürdig gezeichnet. Sie macht nach außen einen kalten, starken Eindruck. Immer wieder darf man aber hinter diese Fassade, die das Mädchen ganz viel Kraft kostet, blicken. Die Nebendarsteller sind allesamt knapp und geheimnisvoll angerissen und bleiben bis zum Ende eher nebulös. Ist die Oma dement oder nicht, was hat es mit den neuen Nachbarjungs auf sich, die nach dem zweiten Blick doch gar keine solch verwöhnten Luxusknaben sind, sondern ebenfalls ihre Probleme mit sich herumtragen? Sehr ans Herz gegangen ist mir der taubstumme Georg, der Maserati zumindest zu Beginn so etwas wie ein Stück Geborgenheit, eine Stütze bietet.

Alles in allem ein Jugendroman, bei dem man sicher ein wenig zwischen den Zeilen lesen können und auf den man sich einlassen muss. Eine gute Laune Geschichte wird man hier eher nicht finden, dafür aber eine einnehmende um nicht nur ein tragisches Schicksal. Mir hat Schallplattensommer gelungene, fesselnde und berührende Unterhaltung geboten. Noch fünf Sterne.