Ein Aufschrei?!

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Es ist schwierig hier die Emotionen zu bündeln und eine sachliche Rezension zu schreiben. Dieses Buch kommt einem Aufschrei gleich – eine Stimme für die Tafelnutzer.
Stefan Selke Professor für „gesellschaftlichen Wandel“ versucht hinter die Einrichtung „Tafel“ zu schauen. Auf der einen Seite die hochgelobten Sponsoren und ehrenamtlichen Helfer auf der anderen Seite die Hilfsbedürftigen, die oftmals eine ganz andere Hilfe benötigen, aber diese ihnen nicht angeboten wird.
Selke klärt über die heutige Situation des Sozialstaates auf nach Einführung des Arbeitslosengeld II und der Pauschalisierung der Hilfssätze. Er zeigt auf wie schnell mal heute arm werden kann und das einem die Würde genommen wird. Dass man sich heute aber seiner Armut schämen muss.
Das Kernstück des Buches ist „Der Chor der Tafelnutzer“ in dem der Autor die Aussagen der Tafelnutzer bündelt bzw. aneinanderreiht. Und diese Stimmen sollten gehört werden, diese Stimmen müssen lauter werden!

Vorher und nachher ist es eine soziologische Studie mit vielen Quellen. Das gibt dem Buch einen wissenschaftlichen Anstrich.
Man kann dem Buch nur sehr viele Leser wünschen, vielleicht auch die in den verantwortlichen Positionen. Wünschen!

Das Buch ist aber soziologisch stark geprägt was für einen Großteil der Leser abschreckend wirkt. Es gibt einige Stellen im Buch, die einem nach Luft schnappen lassen. Zum Beispiel die Praxis der Ämter die Bedürftigen zur Tafel zu schicken, wohl in dem Wissen, dass die Leistungen vom Staat nicht reichen können, um einen zu ernähren. Dort müssen sie wiederum eine Bedürftigkeitsprüfung bestehen. Auch die Konkurrenzsituation bei den Tafelnutzern, wer zuerst kommt mahlt zuerst und nur was gespendet wird kann auch weitergegeben werden.
Die Institution der Tafel als Gutmenschentum getarnt im Grunde nur Augenwischerei, um vom Versagen des Sozialstaates abzulenken. Bedürftigkeit outgesourct. Verantwortung weg!
Das Buch sollte auf jeden Fall Diskussionsgrundlage sein, es bedarf aber auch einiger Ergänzungen.
Wie steht es mit Suchterkrankungen oder psychischen Erkrankungen, die durch den „Schamdruck“ entstehen? Wo ist ein Angebot wirklich Hilfe zu leisten? Wir die Gesellschaft sind gefordert, aber was hilft?
Was nutzt es den Tafelhelfer vor den Kopf zu stoßen? Sie müssen die Notlage verwalten, die der Staat einfach ignoriert.
Es gibt auf beiden Seiten bestimmt schwarze Schafe, aber was ist mit den anderen? Es kann nicht sein, dass auf der einen Seite der „gute Arme“ steht und auf der andere Seite der „böse Gutmensch“.
Provokation?
Das Buch hilft einen anderen Blickwinkel zu finden, die Perspektiven des Hartz IV Empfängers einzunehmen. Und vielleicht auch wütend genug zu werden um etwas ändern zu wollen mit den Tafelnutzern, die ihre Stimme lauter erheben müssten und nicht mehr im Scham versinken.
Vielleicht hilft das Buch dabei!!