Ein Sturm muss aufkommen

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Deutschland gilt als eines der reichsten Länder der Europäischen Union, doch das statistische Bundesamt verkündete jüngst am 27.03.2013, dass 2010 etwa jeder sechste Einwohner Deutschlands als arm galt. Auf diese große Zahl und somit auch die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich geht der Soziologe Stefan Selke in seinem Buch „Schamland“ ein. Dabei kristallisiert er vor allem das „Handlungsdefizit“, das Deutschland bezüglich der Armutsbekämpfung habe heraus und macht den „schleichenden sozialen Wandel“ sowie die Situation der Ärmsten sichtbar.
Die vorherrschende Diskrepanz wird von dem Autor auf verschiedene Weisen durchleuchtet. Zunächst schildert er die Situation in Deutschland und unterstreicht den sozialen Wandel mit Beispielen wie den Abschlussbericht des UN-Sozialausschusses, der die deutsche Sozial- und Wirtschaftspolitik in 39 Punkten kritisiert. In Deutschland herrsche also ein Armutsproblem, das jedoch „bockig“ zurückgewiesen werde.
In einem ganzen Kapitel rückt Selke die Menschen in den Mittelpunkt, die sonst nicht zu Wort kommen Selke kritisiert vor allem, dass in den Medien meistens nur die eine Seite der Medaille herausgestellt wird – die der Gebenden. Er zeigt deutlich, mit was für einer „Scham“ die Personen zu Tafeln, Suppenküchen und Co gehen und dass sie sich oft als „Müllentsorger“ und „politisch entsorgt“ fühlen. Diese Schilderung des Autors erfolgt auf eine sehr emotionale Weise und ist durchweg subjektiv. Der Autor stellt auch klar heraus, dass er „ein gesellschaftliches Problem verdeutlichen und zugleich einen Skandal sichtbar machen wollte“.
Die Darstellungsweise wechselt Selke in einem Kapitel, wo er die Stimmen der Tafelnutzer als „Chor“ in der Wir- und Ich- Perspektive auflodern lässt. Es folgen Klagepunkte en masse, aber vor allem wird die Aussichtslosigkeit dieser Personen deutlich.
Auch Themen wie Altersarmut greift Selke in seinem Buch auf und zeigt zuletzt noch einmal, dass „Tafeln vor Ort helfen, aber als System schaden“, denn mit ihnen „werden zeitgleich freiwillige Helfer vom Staat aktiviert, um ein privates Wohltätigkeitssystem immer weiter zu etablieren“ und Deutschland, das „Schamland“, stiehlt sich somit aus seiner sozialpolitischen Verantwortung
Selke gibt mit seinem Buch der armen Bevölkerung Deutschlands eine Stimme. Durch seine Schreibweise werden die Gefühle dieser Menschen auf eine einprägende Art und Weise beschrieben. Dennoch frage ich mich nach dem Lesen, wieso Angebote in Form von gemeinnützigen Beratungsstellen, die ja „Hilfe zur Selbsthilfe“ bieten, außer Acht gelassen werden. Auch hätte ich es mir gewünscht, wenn der Autor auf mögliche Wege aus dem „Schamland“ genauer eingegangen wäre.