Ein Jugendbuch fernab typischer Liebesgeschichten

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Mal wieder eine Premiere für mich. „Schlaft gut, ihr fiesen Gedanken“ ist nämlich tatsächlich mein erstes Buch des Erfolgsautors John Green. (Nein, ich habe „Das Schicksal ist ein mieser Verräter“ wirklich nie gelesen.) Als Erstes ist mir der Schreibstil von Green aufgefallen. Er ist nachdenklich, teilweise philosophisch und es ist erstaunlich, wie sachlich er mit einem solchen wichtigen Thema umgehen kann und dabei trotzdem nicht langweilig wird.

"Das wahre Grauen ist nicht Angst zu haben; es ist keine Wahl zu haben." S. 27

Geschrieben ist das Buch aus der Sicht von Aza, welche unter einer sehr starken Angststörung leidet. John Green bringt einen behutsam und gefühlvoll an dieses Thema ran. Durch die Ich-Perspektive bekommt man Azas Gedanken (in diesem Fall manchmal eher unfreiwillig) hautnah mit und erlebt, was sich so tagtäglich in ihrem Kopf abspielt. Wie sich Azas Gedankenspirale immer weiter dreht und immer enger wird. Die dadurch teilweise melancholische Stimmung wird oft durch Azas beste Freundin Daisy unterbrochen, die das komplette Gegenteil von Aza ist – quirlig, laut und immer am Reden. Beide ergänzen sich erstaunlicherweise gut, aber es gab im Verlauf der Handlung leider auch so Momente, da gingen mir beide mit ihrer Art auf die Nerven.

Die Story ist logisch, realistisch und spannend aufgebaut und bietet ebenfalls die eine oder andere Wendung. Wichtig ist hier vor allem, dass der Autor zeigt, an welche Grenzen psychisch kranke Menschen und auch deren Umfeld teilweise stoßen. Wie es für diese Menschen ist, wenn die eigenen Gedanken nur noch aus der Angst zu bestehen scheinen. Besonders die Freundschaft von Aza und Daisy wird hier oft thematisiert, denn es ist eben nicht immer so einfach, eine Freundin mit einer Zwangsstörung zu haben.

"Unsere Herzen waren an der gleichen Stelle gebrochen. Das ist so etwas wie Liebe, aber vielleicht nicht ganz dasselbe." S. 204

Jedoch wurden einige Themen für mich auch zu oberflächlich behandelt. Die Haupthandlung laut Klappentext – nämlich die Suche nach Russell Pickett – war für mich nie richtig präsent. Am Anfang spielte es noch eine Rolle, verlief sich aber relativ schnell im Sande. Dieser Punkt wurde auch irgendwo im zweiten Drittel ziemlich unkompliziert und schnell aufgeklärt. Die Suche nach Russell Pickett entwickelte sich für Aza mehr zu einer Suche nach sich selbst. Auch die vermeintliche und doch sehr außergewöhnliche Beziehung zu David Pickett war für mich nur oberflächlich gehalten. Für Aza ist es sicherlich schwer, mit ihrer Zwangsstörung eine Beziehung einzugehen. Aber David war ein Charakter, den ich nie greifen konnte. Dazu blieb er zu mysteriös.


ZUSAMMENFASSEND
„So ist das Leben?“ Ich versuche zu verstehen, was er meinte. „Ja. Das Leben reimt sich nie an der Stelle, wo man es erwartet.“ S. 152

John Greens aktuelles Buch „Schlaft gut, ihr fiesen Gedanken“ ist ein Jugendbuch fernab von den typischen Liebesgeschichten, die man sonst teilweise so aus diesem Bereich kennt. Das Buch bietet eine realistische Handlung, interessante Charaktere und einen philosophischen Schreibstil. Gelegentlich hatte ich ein paar Probleme mit Aza und Daisy, da ich sie zwischendrin als sehr anstrengend empfand. Auch die eigentliche Handlung, die Suche nach Russell Pickett, wurde für mich zu oberflächlich behandelt, dafür, dass sie im Klappentext so groß angepriesen wird. Insgesamt hatte ich mit Greens neuem Buch aber meinen Spaß und halte es für ein sehr wichtiges und lesenswertes Buch.