Perspektivwechsel

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cellissima Avatar

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Der Auftakt der Schloss Liebenberg-Reihe: Wir befinden uns im Jahre 1906. Adelheid, Tochter eines Tagelöhners, wird von der Fürstin ausgewählt, um fortan auf Schloss Liebenberg zu arbeiten - dies direkt als Stubenmädchen! Adelheid kann ihr Glück kaum fassen, schwelgt im Glück, was nicht zuletzt an Viktor, einem Diener, liegt. Doch schnell wird Adelheid wieder mit der Realität konfrontiert, denn sie hat zahlreiche Neider unter der Dienerschaft, die keine Gelegenheit auslassen, um ihr zu schaden. In Hedda findet sie eine Verbündete - und die Freundinnen sehen und hören Dinge, die niemand sehen und hören soll ...

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Im Mittelpunkt von Hanna Caspians neuer Trilogie stehen v.a. zwei große Themen: die Harden-Eulenburg-Affäre, die mit der Homosexualität einen regelrechten politischen Skandal auslöste, Kaiser Wilhelm II sowie das gesamte deutsche Kaiserreich in große Bedrängnis brachte, sowie das Leben der Dienerschaft, die, da die Weimarer Reichsverfassung damals noch nicht existierte, noch nahezu rechtlos war, aber schon begann, das upstairs-downstairs-Verhältnis, das als Gottes natürliche Ordnung dargestellt wurde, in Frage zu stellen.

Erzählt wird nicht wie so oft aus der Perspektive der Herrschaft, sondern aus der Perspektive der Dienerschaft, was dazu führt, dass Fragen aufgeworfen werden können, die sonst immer verborgen bleiben, und der Roman sehr authentisch wird.

Auch der Stil ist gewohnt authentisch und überaus atmosphärisch, ebenso angenehm lesbar, und die Figuren sind sehr gelungen. Die Umstände dieser Zeit, die Schwierigkeiten, mit denen diese Menschen zu kämpfen hatten, werden sehr greifbar.

Schnell werden viele spannende Fragen aufgeworfen; Lügen, Intrigen, Neid, dunkle Geheimnisse sind an der Tagesordnung. Das sorgt dafür, dass dieser Auftaktband extrem spannend ist und man ihn kaum noch aus der Hand legen kann.

Und selbst Leser, die politisch nicht allzu interessiert sind und diesen Erzählstrang anfangs nicht allzu interessant oder gar überflüssig finden, dürften ihre Meinung spätestens dann ändern, wenn das ganze Ausmaß dieser Affäre mitsamt der Auswirkungen auf Schloss Liebenberg klar wird - Hanna Caspian versteht es hervorragend, Geschichte und Politik so in eine Geschichte einzuweben, dass sie lebendig werden und man gerne liest und lernt.

Am Ende des Bandes sind große, zentrale, spannende Fragen noch nicht geklärt, es bleibt somit offen, wie es mit diesem Haus, mit diesen Figuren weitergeht, was noch alles passieren wird. Klar ist aber: Es wird noch spannender weitergehen!

Ich habe diesen Auftaktband regelrecht verschlungen und kann die Fortsetzung kaum erwarten. Absolute Empfehlung für alle, die historische Romane und Downton Abbey lieben und etwas geschichtlich und politisch interessiert sind!