Abwechslungsreich erzählter Mystery-Thriller im tiefen, isländischen Winter

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alekto Avatar

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Jóhanna arbeitet eigentlich in der Qualitätskontrolle der größten Fischfabrik im Ort, ist aber ehrenamtlich für die Rettungswacht tätig. So wird sie hinzugerufen, als nach zwei verschwundenen Paaren und eventuell einer weiteren Personen, die wohl einen Adventure Urlaub im so unbarmherzigen isländischen Winter unternehmen wollten, gesucht wird. Einheimische werden da nur selten vermisst, da die sich für gewöhnlich anders als Touristen der Risiken bewusst sind, die der so harte, tief verschneite Winter in der isländischen Provinz mit sich bringt. Die Wetter- und Schneeverhältnisse behindern die Arbeit der Polizei und Rettungswacht. Doch die Suchaktion wird fieberhaft fortgesetzt, da bei diesen Temperaturen keiner lange draußen überleben kann.

Sigurdardóttir erzählt ihren Thriller abwechslungsreich aus drei verschiedenen Perspektiven, die auf zwei Zeitebenen angesiedelt sind. Bis auf einen Prolog und ein letztes Kapitel, das wohl als Epilog angesehen werden kann, wird diese Erzählweise konsequent von der Autorin durchgezogen. Neben der Sicht von Jóhanna, deren Mitwirken an der Suchaktion im Rahmen ihrer Tätigkeit bei der Rettungswacht geschildert wird und die tiefere Einblicke erhält, da ihr Mann Polizist ist, werden die Ereignisse auch aus Sicht von Hjörvar, der erst seit wenigen Monaten für die von der US-Armee erbaute, nun in isländischer Hand befindliche Radarstation in der Nähe arbeitet, sowie von Dröfn, deren Kapitel zeitlich eine Woche vor den anderen spielen, geschildert. Denn Dröfn gehört zu den verschwundenen Touristen, die Jóhanna und die gesamte Rettungswacht finden wollen. Da mir so mehr Informationen als nur Dröfn oder Jóhanna zur Verfügung standen, ist mir manchmal schon klar gewesen, was bei Dröfns Gruppe wohl nicht gut ausgehen wird bzw. worüber Jóhanna noch gerätselt hat. Das hat dann leider ein wenig die Spannung rausgenommen.
Neben der abwechslungsreichen Erzählweise sind die atmosphärischen Beschreibungen eine der Stärken dieses Thrillers. Als eindrucksvoll habe ich die Schilderungen blendend weißer Schneelandschaften in der isländischen Provinz empfunden, die so wunderschön wie lebensfeindlich sind. Glaubwürdig erzählt die Autorin von einer endlosen, weißen Weite, in der sich die Orientierung verlieren lässt, so dass sogar links und rechts vertauscht werden können, und von einer erbarmungslosen Kälte, vor der Dröfn und ihre Freunde sich mit Tricks und Hilfsmitteln zu schützen versuchen, bis die dann doch versagen und zu Erfrierungen führt. Da ist mir beim Lesen die Kälte in die Knochen gekrochen.

Ebenso stimmungsvoll bindet Sigurdardóttir unheimliche Mystery-Elemente in ihren Thriller ein. Indem diese immer mal wieder in unerwarteten Momenten, da an überraschenden Orten oder zu Zeitpunkten, zu denen ich nicht damit gerechnet hätte, auftauchen, haben die mich schon mal schaudern lassen. Die Wirkung wurde dadurch verstärkt, dass ich von einem Thriller ausgegangen bin und keine Mystery-Elemente erwartet hatte. An sich sind diese Szenen aber nicht übertrieben gruselig gestaltet, stellen also keine Horror-Elemente dar, sondern sorgen eher für ein stimmungsvolles Schaudern. Der Schrecken dabei rührte für mich eher von der Angst her, mit der die von Sigurdardóttir eingeführten Figuren darauf reagierten.
Da die Auflösung dieses Thrillers für mich zumindest teilweise überraschend gewesen ist, hätte ich mir zum Schluss doch mehr Information zum Täter gewünscht. Dass es auch ein Kapitel gibt, indem Sigurdardóttir die Ereignisse aus seiner Sicht schildert, finde ich gelungen. Das hätte aber ruhig ein wenig länger ausfallen können. Auch was die Mystery-Elemente betrifft, wurden zum Ende hin manche Fragen beantwortet, die ich mir zuvor gestellt hatte. Nur leider fügen sich die Erklärung, die die Autorin hinsichtlich ihrer Mystery-Elemente liefert, und das Ende, das sie dafür findet, meiner Ansicht nach nicht so ganz stimmig in den Rest des Thrillers ein. Ich denke, dass dies ein stärkerer Thriller gewesen wäre, wenn Sigurdardóttir auf ihre zwar atmosphärisch starken, letztlich aber doch nicht so schlüssigen Mystery-Elemente verzichtet hätte und stattdessen nur ihren Thriller erzählt hätte, der dafür mehr Fokus auf den zum Schluss enthüllten Täter hätte haben können, um so mehr Information über diesen zu liefern.