Schneewittchen mit gefühlten 77 Zwergen

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allegra Avatar

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Das Buch stand während Monate auf den Spitzenplätzen der Bestsellerlisten, begegnete einem in Riesenstapeln in jeder Buchhandlung und wird allgemein mit großer Begeisterung gelobt.  Ich habe mich beim Lesen gut unterhalten gefühlt. Durch häufige Perspektivwechsel die durch cliffhanger voneinander abgesetzt sind, wird die Spannung durchgehend hoch gehalten, teilweise driftet die Spannung aber auch in Folge der vielen Personen in Hektik ab. Der Krimi liest sich so leicht, dass man ihn sich locker auch in einer unruhigen Umgebung zu Gemüte führen kann; eine ideale Lektüre für die S-Bahn.
Insgesamt hat mich das aber leider nicht wirklich befriedigt. Obwohl die Hauptpersonen durchaus mit einer gewissen Tiefe charakterisiert werden, empfinde ich das ganze Buch als eher oberflächlich. Die Protagonisten werden relativ früh und gut und böse eingeteilt und es ist relativ bald absehbar, wer als Bösewicht die Strippen zieht.

Vom Sprachlichen her ist es mir zu einfach gehalten. Der Schreibstil ist sehr gerade aus, sehr anschaulich, lässt aber wenig Spielraum für eigene Vorstellungen und Gedanken.
Inhaltlich sehe ich den einzigen Anspruch darin, dass eine Vielzahl von Personen eingeführt werden, von denen ich aber am Ende nicht sicher bin, ob sie einfach offene Enden darstellen oder ob es sich um cliffhanger handeln soll und sie in späteren Bänden wieder aufgegriffen werden.
Die Motive für die Morde sind sexueller Natur bzw. Habgier und Geltungssucht. Ich hoffe nicht, dass im Taunus die Strafdelikte tatsächlich in dieser Reihenfolge vorkommen, aber auch für einen Krimi ist es für mich etwas zu dick aufgetragen. Die Dorfgemeinschaft ist sehr flach beschrieben, das Volk ist als boshaft, schwatzhaft, relativ ungebildet und unsympathisch beschrieben.  

Generell werden mir zu viele Klischees und Sehnsüchte bedient. Die Protagonisten sind relativ jung angesichts des beruflichen Erfolgs, den sie bereits errungen haben. Oliver von Bodenstein, ist adlig; seine Eltern besitzen ein Gut mit Pferdezucht. Er ist verheiratet mit einer erfolgreichen Frau, und obwohl sie zusammen ein Baby haben, können sich beide Ehepartner beruflich frei entfalten und brauchen offensichtlich kaum Rücksicht auf familiäre und häusliche Pflichten zu nehmen. Pia Kirchhoff, liiert mit dem Direktor des Opelzoos, ist vom Beruf her zeitlich sehr engagiert und schafft es dennoch nebenbei einen kleinen Bauernhof zu betreiben, was die aktuelle Sehnsucht nach dem Landleben auf eine ziemlich kitschige Weise bedient. Dazu fahren alle wichtigen Personen natürlich noch adäquate Luxuskarossen, was mir persönlich etwas zu sehr in die Richtung „Schleichwerbung“ geht.

Ein solider Regionalkrimi, der lockere, gute Unterhaltung bietet. Aber vermutlich nicht unbedingt ein Buch, an das ich mich noch nach Jahren erinnern werde.