Schneewittchen, schicksalsträchtig

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Nele Neuhaus :  Schneewittchen muß sterben

Den vierten Roman des Ermittlerduos Pia Kirchhoff und Oliver von Bodenstein spielt wie die Vorgänger im deutschen Taunus. Tobias Sartorius, 10 Jahre wegen Doppelmordes aufgrund von Indizien verurteil, kehrt zu Beginn des Buches in sein Heimatdorf Altenhain zurück. Nele Neuhaus beschreibt aus unterschiedlichen Perspektiven die Emotionen, Interessen, Neigungen der Dorfbewohner, die sich nun mit der Rückkehr des Mörders zweier ihrer Töchtern auseinandersetzen. Hinzu kommt : Amelie Fröhlich . eine Zugereiste, Bedienung einer Gaststätte und somit durch Stammtisch- und andere Gespräche neugierig geworden und immer auf dem Laufenden. Pia Kirchhoff, Ermittlerin, interessiert sich durch Auffinden eines Skeletts, - eines des damals ermordeten Mädchens, wieder für den  Tathergang und mischt die damals verübten Morde wieder auf. Im Dorf brodelt es. Tobias sowie seine Familie  sind schweren Bedrohungen ausgesetzt, seine Mutter hinterhältig angegriffen, sein Vater nur noch ein Schatten seiner selbst und abhängig vom Dorf”paten” Claudius Terlinden.

Über die  für meinen Eindruck  fast übertrieben gehaltvoll gedachten Vor- und Zunamensgebung ihrer Hauptdarsteller kommt man im Verlauf des Lesens mit einem Schmunzeln hinweg, denn die Geschwindigkeit der aufgebauten Handlungsstränge bringt uns nicht mehr zur Ruhe und der Lesehunger wird vorrangig.
Der Eindruck einer Serie mit vielen raffinierten Drehungen und Wendungen, Irrungen und Wirrungen abschnittsweise  gut verpackt, lassen dennoch und vielleicht deswegen den Lesespaß nicht hinten vor. Nele Neuhausens Krimikonstrukt ist intelligent, birgt Überraschungen und steigert nach und nach die Geschwindigkeit und zieht doch alle Protagonisten und Nebendarsteller zu einem Strang zusammen mit der Frage des unglaublichen Kleinbürgertums mit allen Vorurteilen und Verteidigungshaltungen bei dem Erschüttern des Machtgefüges. Für den Erhalt des Status Quos wird vor Morden nicht zurückgeschreckt. Es geht hier nicht um die Frage der Grenzüberschreitungen, sondern um Erhalt eines Gleichgewichts, bei dem die Machtstrukturen klar festgelegt sind. Wir können nur ahnen, wer die Fäden zieht und sind überrascht über die Frauenpower in jeglicher Hinsicht in diesem Krimi. 

Nicht das vom Autisten Thies lang behütete Schneewittchen - inzwischen mumifiziert- wird durch deren Entdeckung und  die Liebe vom Gift befreit, sondern eben der Thies Terlinden, den jahrelang die falschen Medikation vergiftete, gesundet als intelligenter Außenseiter. Ebenso gewinnt der geläuterte Oliver von Bodenstein Profil, sowie die weiblichen Heldinnen Pia und Amelie, die letztendlich doch Recht mit ihren Vermutungen hatten und natürlich Tobias Sartorius, mit gebeuteltem und zurechtgerücktem Schicksal.
Dies sind die Außenseiter, die Dorfbewohner, Täter des Geschehens gehen unter  und verlieren dadurch unser Interesse. Wir fiebern stattdessen auf einen nächsten Kriminalroman von Nele Neuhaus, die sich sehr schön etabliert hat mit diesem deutschen  Klassekrimi. Sehr unterhaltsam und empfehlenswert.
Abschluß mit einem Zitat von Germaine Greer, australischer Feministin:
„Es scheint, dass eine Frau mehr Aussicht auf Erfolg hat, je höher sie ihre Ziele schraubt und je ungewöhnlicher sie in ihrer gewählten Umgebung ist.“
Dies trifft auf die weiblichen Hauptdarsteller in Nele Neuhausens Roman sowie auch auf sie selbst zu. Mein Kompliment.