Philosophisch angehauchte Trivialliteratur

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Der Autor erzählt durchaus lebendig und anregend. Ich konnte mir die Szene im Krankenhaus sehr gut ausmalen und ebenso gut in die Handlung eintauchen. Ich lernte einige ausgefallene Nobelmarken wie "Massaro-Pantoffeln" oder "Champagner Truffes von Teuscher" kennen, die mir bis Dato gänzlich unbekannt waren. Überhaupt wurde an high-society-spezifischen Ausdrücken bzw. Marken in Bezug auf Kleidung, Autos oder Schönheit nicht gespart. Der Autor bedient sich unterschiedlicher Klischees zur Schaffung einer oberflächlichen high-society-Atmosphäre. Einige Elemente, wie z.B. die auffällig gegenseitige Anrede als "Schätzchen" oder das Einwerfen englischer Floskeln ("you are too funny"; "can you believe it?"), kamen mir bekannt vor, weil ich diesen Mitteln wahrscheinlich schon öfter in irgendwelchen nichtssagenden Spielfilmen und Serien begegnet bin. Ich persönlich empfand die Leseprobe an manchen Stellen als zu kitschig. Vor allem finde ich die Darstellung von Millvinas Sterben sehr bedenklich. Es ist zutiefst unrealistisch und wird einer Sterbenden, auch wenn sie eine reiche und oberflächliche Tussi war, nicht gerecht. Der Schrecken des Todes wird im vermeintlichen Mantel eines schwarzen Humors auf unglaubwürdige Weise verharmlost. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein Mensch, egal wie oberflächlich und hohl er sein mag, auf diese Weise dem eigenen Tod ins Angesicht schaut!
Ich habe der Leseprobe dennoch drei Sterne gegeben, weil der Autor ein guter Erzähler ist und weil er manchmal mit guten philosophischen Gedanken ("freilich ist keinen Charakter zu besitzen eine Talentfrage, wie alles andere auch") zum Innehalten und Nachdenken anregt. Außerdem macht die Handlung neugierig. Millvina enthüllt auf dem Sterbebett einem Bekannten, Oskar, der Schriftsteller ist, dass ihre Tochter nicht ihre leibliche Tochter ist und dass dieses Geheimnis strikt gewahrt werden müsse. Wenige Minuten später haucht sie ihr Leben aus.