Ein getarnter Traktat

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Schöne Seelen ist ein extravagantes Lesevergnügen für philosophisch Interessierte. In einem saublöden Rahmen, bestehend aus nicht zu steigernder Oberflächlichkeit, Absurdität und Kitsch, hat Philipp Tingler seine psychologisierenden Aphorismen zur Lebensweisheit durchaus wirkungsvoll eingebettet. Der Kontrast zwischen einem Milieu, deren Mitglieder wie aufgespritzte, essgestörte Menschenroboter daher kommen und der Fülle an philosophischem, nicht zu unterschätzenden Ideen, ist für den Leser ein irritierendes und gleichzeitig erfrischendes Literaturerlebnis.
Ich konnte mich beim besten Willen mit keinem einzigen der Figuren des Romans identifizieren und ich glaube auch nicht, dass der Autor so etwas ernsthaft beabsichtigt hat. Komposition und Spannungsbogen lassen definitiv zu wünschen übrig. Meiner Meinung nach ist dieses Buch im Grunde genommen eine philosophische Abhandlung, getarnt in der literarischen Form eines Romans.
Wer Nietzsche, Freud und Co. liebt, wird dieses Buch mögen!


"Bewunderung und Enthusiasmus bilden das Medium, in dem ein Charakter sich entwickelt. Und man bleibt genau so lange jung, wie man Helden hat, die man verehrt. Das ist Liebe" (Schöne Seelen, S. 161)

"Oskar lehnte sich zurück und schloss die Augen. Was einer werden kann, das ist er schon." (Schöne Seelen, S. 331)