Philipp Tingler: Schöne Seelen

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Philipp Tingler: Schöne Seelen

Dieser Roman von Philipp Tingler ist tatsächlich wesentlich mehr als lediglich eine zum Schmunzeln anregende, flott geschriebene und leicht lesbare Gesellschaftsstudie: Es hält bitterböse den vom Schicksal Verwöhnten und trotzdem niemals Befriedigung findenden "VIPS" einen Spiegel vor.
Der Autor beweist hier, dass er ein exzellenter Beobachter und gleichzeitig ein maßvoll übertreibender hervorragender Karikaturist ist, der den Leser ausgezeichnet zu unterhalten versteht.
Rahmenhandlung ist die ein wenig oberflächliche Geschichte um Millvina Van Runkle, eine der Ikonen der Schweizer High Society, die nach einer ihrer zahlreichen schönheitschirugischen Behandlungen im Sterben liegt. Auf dem Sterbett wird ein Geheimnis anvertraut: Millvinas Tochter Mildred ist nicht ihr leibliches Kind, sondern adoptiert und zwar "shocking!" Sproß eines Dienstmädchens. Auf der Beerdigung findet der Verfasser Gelegenheit zu höchst treffenden und amüsanten Charakterisierungen der gar nicht so trauernden Trauergemeinde, beispielsweise als eine Dame ihrer "Freundin" das zweifelhafte Kompliment über die gut gelungene korrigierte Kinnpartie macht - und hinzufügt, dass sie sie an die Figuren der Osterinseln erinnere.
Gesteigert wird das Ganze allerdings, als ein Freund einen anderen bittet, doch für ihn zu einer Psychologischen Behandlung zu gehen, da er selbst diese von seinem holden Eheweib aufgebrummt bekommen und selbst weder Zeit noch Lust dazu habe, der andere jedoch dort gewiss einige seiner literarischen Karriere höchst zuträgliche Charakterstudien betreiben und gleichzeitig einen Freundschaftsdienst erweisen könne. Bei den beiden Freunden handelt es sich pikanterweise um den Geheimnisträger in Sachen Millvina-Tochter und um ausgerechnet deren Ehemann. Und so nimmt das Verhängnis seinen Lauf, wenn mir auch einige psychologische Betrachtungen etwas zu ausführlich ausfielen und sich mir der Sinn der zwar mir persönlich keine Probleme bereitenden aber für überflüssig gehaltenen vielen Einschübe in englischer Sprache nicht erschließen wollte.
FAZIT: Leseempfehlung für Leute mit Grundkenntnissen der englischen Sprache und einem Sinn für dunkelgrauen Humor