Das Leben ist der Güter höchstes nicht, der Übel größtes aber ist die Schuld

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metalpanda Avatar

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Nachdem ich den dritten Fall vom Kommissar Dühnfort zugegebenermaßen etwas stark kritisiert habe, vor allem was die Figur des Ermittlers angeht, war ich vom vierten Band der Reihe angenehm überrascht.
Sowohl der Kriminalfall (bzw. -Fälle) an sich, als auch die Lösung haben im Vergleich zum Vorgänger an Stärke gewonnen und auch Kommissar Dühnfort bekam im wahrsten Sinne des Wortes ein neues Leben eingehaucht.
Die Grundsatzfrage des Romans, die Frage nach der Schuld - Kann Schuld verjähren? Wann ist eine Schuld beglichen? Und kann man als Betroffener dem Schuldiger wirklich vergeben? - ist sehr tiefgründig, steht doch die Vergebung der Schuld sogar im Buch aller Bücher. Inge Löhnig hat sich also eines einerseits globalen, doch andererseits sehr individuellen, einzelfallbezogenen Problem angenommen und daraus einen spannenden Fall gestrickt.

Ein Mann wird in der Abenddämmerung überfahren; eine Frau lebt abgeschottet von der ganzen Welt, nachdem ein Junge in ihrer Obhut ums Leben gekommen ist; ein gebrechlicher Mann, dessen ganzer Lebenssinn nach einem Unfall nur noch darin besteht, eine Kartei über Verkehrssünder in seiner Straße zu führen - was haben all diese und noch weitere Fälle miteinander zu tun? Das gilt es für den Kommissar Dühnfort rauszufinden. Dabei hat er auch einige private Probleme, an denen er mehr oder weniger stark zu knabbern hat. Zum einen hat er sich (endlich!) auf die Beziehung mit seiner Teamkollegin und Untergebenen Gina eingelassen, doch das muss er vor seinen Kollegen geheim halten. Zum anderen hat er mit einem gefährlichen "Geist" aus seiner Vergangenheit zu kämpfen, ein schuldig gesprochener Gegenüber Dühnforts aus einem seiner früheren Fälle. So verfolgt auch Tino Dühnfort die Frage der Schuld, ob die "kleine" moralische Schuld bei den Kollegen, den er sein Verhältnis verheimlicht, oder die Angst im Nacken, der Täter, bei dem er sich "schuldig" gemacht hat, indem er ihn hinter die Gittern gebracht hat, könnte sich nun rächen.
Die Figur Dühnforts gefällt mir in diesem Roman von allen vier Bänden am besten - er wirkt endlich so richtig lebendig, mit einer ganzen Bandbreite an Gefühlen. Auch der Figur seines Teamkollegen Alois wird in diesem Band eine nicht unerhebliche Rolle beigemessen, sodass man als Leser diesen vermeintlich arroganten Charakter plötzlich mit ganz anderen Augen sieht.
Die Autorin bleibt ihrem Schreibstil weiterhin treu, der für einen Kriminalroman grundsätzlich fast zu ausufernd, zu blumig, zu poetisch wäre - doch genau das macht einen echten Inge Löhnig-Krimi aus.

Das fünfte Buch der Reihe ist bereits erschienen und wurde von mir bestellt - ich freue mich auf ein Wiedersehen mit lieb gewonnenen Charakteren und hoffe, dass Frau Löhnig weiterhin ihrer Linie treu bleibt.