Denn wer ist ohne Schuld?

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Wie ist das mit der Schuld bei Todesfällen oder Unfällen, bei denen eigentlich nur die Verkettung von unglücklichen Zufällen ursächlich war? Bei einem tödlichen Unfall durch ein Auto, das die Geschwindigkeitsbegrenzung einhält, dessen Fahrer aber nicht mehr reagieren kann, als ein dreijähriges Mädchen sich von der Hand der Mutter losreißt, um, ja was überhaupt, auf der anderen Straßenseite anzusehen? Bei einer alten Frau, deren Enkelin in der Dunkelheit und mit starken Kopfschmerzen die Tabletten verwechselt und durch das Herzmedikament der Oma einen anaphylaktischen Schock erleidet? Oder bei dem Babysitter, der das hyperaktive Kind nicht bändigen kann, sich kurz umdreht, um Spielzeug aufzuheben, dann aber damit konfrontiert wird, dass der kleine Junge aus dem Bett gefallen ist und sich beim Sturz das Genick gebrochen hat?

Sind alle diese Personen ohne Schuld? Rein rechtlich wurde das jeweilige Verfahren beendet, doch offenbar scheint es jemanden zu geben, der ihnen doch die Schuld gibt. Jahre nach dem eigentlichen Geschehen werden die jeweiligen "Schuldigen" nun ermordet - und zwar auf die gleiche Weise, wie damals der Tod eingetreten ist.

Es dauert, bis es dem Team um Kommissar Dühnfort gelingt, einen Zusammenhang zwischen den ersten beiden Taten zu finden - und doch ist er vorhanden. Bis dahin ist eine Menge an kriminalistischer Kleinarbeit und auch ein Quentchen Glück vonnöten, die von Tino Dühnfort und seinem Team mehr oder weniger begeistert geleistet wird.

Löhnig nutzt - wie schon in ihren ersten drei Bänden um das Münchner Ermittlerteam - verschiedene Erzählperspektiven, um die Geschichte voran zu bringen. Neben der Ermittlerperspektive wird viel aus Sicht von Sanne Möbus vermittelt, der Frau, die sechs Jahre zuvor als Babysitterin "versagt" hat. Ihr Schützling, der kleine Ludwig, ist beim Sturz aus dem Bett gestorben - und sie hat sich seitdem aus dem Leben zurückgezogen. Allein ein kurzer Kontakt mit einer Selbsthilfegruppe "schuldlos Schuldiger" hat ihr den Kontakt zu Thorsten vermittelt, einem Gutmenschen, der als Altenpfleger arbeitet, gleichzeitig ehrenamtlich in einem Kriseninterventionsteam aktiv ist und sich schließlich in Sanne verliebt.

Verliebt ist auch Kommissar Dühnfort - und zwar in seine Kollegin Gina, was zu einigen Problemen im Team führt, auch wenn beide versuchen, die Liebe noch geheim zu halten.

Durch den Wechsel der Perspektiven ist die Geschichte bis zum Schluss spannend. Der Leser weiß dadurch immer etwas mehr als das Ermittlerteam, die endgültige Lösung ist trotzdem überraschend, aber nicht abwegig. Löhnig hat eine angenehm und gut zu lesende Sprache, ohne dabei aus dem bekannten Rahmen des Krimis auszubrechen. Insgesamt ein guter, nicht überragender Krimi, der deutlich mehr als "Hausmannskost" bietet. Die Schuldfrage bleibt ungeklärt - ist wohl auch nicht zu klären, das muss jeder in entsprechenden Situationen mit sich selbst abmachen.