Schuldlos schuldig

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r.e.r. Avatar

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Pech, Misserfolg und Schicksalsschläge lassen sich oft leichter ertragen, wenn man einen Schuldigen hat, dem man die Verantwortung für das Desaster anlasten kann. Hat man einen Adressaten für Enttäuschung, Empörung oder Wut lassen sich die aufgewühlten Gefühle einfacher verarbeiten. Was aber wenn es diesen Schuldigen nicht gibt? Wenn für das Unglück niemand belastet werden kann? Das Schicksal anzunehmen, fällt nicht leicht. Schon gar nicht jemandem der auf Rache sinnt.

 

Der erfolgreiche Architekt Jens Flade wird vor seinem Büro rücksichtslos überfahren. Das Ermittlerteam um Konstantin Dünforth geht zunächst von einem tragischen Unfall mit Fahrerflucht aus. Kurze Zeit später wird eine junge Studentin ertränkt an einem Badesee gefunden. Ein Zusammenhang zwischen den beiden Fällen besteht scheinbar aber nicht. Erst als ein weiteres Todesopfer auftaucht und der Beobachter des Autounfalls spurlos verschwindet, wird klar dass ein Serienmörder am Werk ist. Allein das fehlende Motiv macht dem Kommissar zu schaffen. Und so wie der November die Stadt in graue Schleier hüllt, scheinen auch die Todesfälle in einem undurchdringlichen Nebel zu liegen.

 

“Schuld währt ewig” ist Inge Löhnigs vierter Fall um Kommissar Dünforth. Die Serie spielt im Herzen Münchens. Der Kommissar wohnt idyllisch am Südfriedhof, nur wenige Schritte von seinem Dezernat entfernt. Er ist, heimlich, mit seiner Mitarbeiterin Gina liiert. Das Team wird komplettiert von Alois, einem smarten Erfolgstypen der mehr Ehrgeiz in perfekte Outfits als in die Aufklärung der Fälle setzt.

 

Das Buch liest sich von Beginn an flott und unterhaltsam. Ein altes Bauerngut auf dem eine junge Geigenrestauratorin in der selbst gewählten Einsamkeit lebt. Sie muss den Tod eines Kindes verkraften, dass starb während sie einen kurzen Augenblick nicht aufgepasst hat. Obwohl ihre Unschuld gerichtlich bewiesen wurde, quälen sie die Schatten der Vergangenheit. Zeitgleich beobachtet der Frührentner Egon Voigt von seinem Wohnungsfenster aus, die Geschehnisse die zum Tod des Architekten führen. Und wiederum zur selben Zeit gehen Dünforth und Gina ihr erstes gemeinsames Bett kaufen.

 

Drei Episoden die, einen mit Sogwirkung in diesen Roman ziehen. Spannend und aus wechselnden Perspektiven erzählt. Jede Situation ist bis ins Detail ausgekleidet. Man meint die Wärme des Holzofens auf dem alten Bauerngut zu spüren und sieht den Kater der jungen Frau vor sich, wenn er um seinen Joghurt bettelt. Die spießige Engstirnigkeit des Frührentners korrespondiert zur Beschreibung seiner Wohnung und des Hobbys, die Nachbarn zu beobachten. Die Situation beim Bettenkauf schließlich beschreibt gemütlichen Alltag. Man kann den Weg über Viktualienmarkt ins Tal und wieder zurück zum Rindermarkt gedanklich mitschlendern und dabei froh sein nicht selber im Getümmel zu stecken. Pure Leseentspannung.

 

Hervorzuheben ist der Respekt mit dem Löhnig ihre Figuren behandelt. Auch unliebsame Charaktere bekommen die Chance ihre menschlichen Seiten zu präsentieren. Die vielschichtigen Gedanken die offen gelegt werden, zeigen die Einfühlsamkeit der Autorin. Dieser Roman ist trotz der heimtückischen Morde fast wohltuend zu lesen, durch die würdevolle Art in der selbst die brenzligsten Situationen menschlichen Miteinanders kultiviert geklärt werden.

 

Natürlich kann man auch Schwächen finden. Beispielsweise wird der Handlungsstrang mit der Unfallbeobachtung zum Ende nicht aufgelöst, aber das tut ganzen keinen Abbruch. Abwechslungsreich, spannend, fesselnd. Passend zur Jahreszeit, Sofanahrung der literarischen Art.