Klassismus in China

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Schwanentage erzählt von Yu Ling, die als Kindermädchen in einer wohlhabenden Familie arbeitet. Als der Vater wegen Korruptionsverdachts verhaftet wird und die Mutter spurlos verschwindet, bleibt sie mit dem kleinen Jungen allein zurück. Was danach passiert, entwickelt sich leise, fast unscheinbar, und genau darin liegt die Stärke des Romans. Yu Ling ist eine Figur, die man sofort nah an sich heranlässt. Sie wirkt loyal, bescheiden und sehr bei sich, obwohl um sie herum alles zusammenbricht. Ihre Fürsorge für den Jungen ist aufrichtig, fast zärtlich, aber gleichzeitig immer mit dem Bewusstsein verbunden, nicht dazuzugehören. Diese Spannung zwischen Nähe und Distanz, Zugehörigkeit und Ausschluss zieht sich durch das ganze Buch. Schwanentage zeigt, was es heißt, wenn Care-Arbeit selbstverständlich erwartet, aber nie wirklich anerkannt wird. Es geht um Klassismus, um soziale Hierarchien, um Verantwortung und das Aushalten von Ungerechtigkeit. Mich hat beeindruckt, wie ruhig und präzise die Geschichte erzählt ist, ohne große Gesten, aber mit einer Kraft, die sich langsam entfaltet. Ein stilles, eindrückliches Buch über Loyalität, Fürsorge und die Frage, wer in unserer Gesellschaft überhaupt gesehen wird.