Direkt und ungefiltert

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roomwithabook Avatar

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Jasmina Kuhnke, die sich als Aktivistin gegen Rassismus einsetzt und auf Twitter unter dem Namen Quattromilf bekannt ist, hat einen Roman geschrieben, der sich eher wie ein ungefilterter Erfahrungsbericht liest.
Die Protagonistin, wie die Autorin Kind einer kroatischen Mutter und eines senegalesischen Vaters, der schon vor ihrer Geburt starb, erlebt als Schwarzes Kind von Anfang an Ausgrenzung, Abwertung und Rassismus. Der einzige Bereich, in dem sie sich wohlfühlt und in dem sie glänzen kann, ist der Sport, genauer gesagt das Laufen. Keiner rennt so schnell wie sie, nur wenn sie alle abgehängt hat, fühlt sie sich frei. Doch auch diese Fluchtmöglichkeit wird ihr genommen, sie wird krank und muss ihre Laufkarriere aufgeben. Von da an geht es abwärts, sie verliert ihren Halt, geht feiern statt zur Schule und endet in einer gewalttätigen Beziehung mit zwei kleinen Kindern. Doch die namenlose Protagonistin gibt nicht auf, sie ist wütend, sie kämpft, und irgendwann beginnt sie, ihre Geschichte aufzuschreiben und sie sich dadurch zurückzuerobern.
Das alles ist in derber, direkter Sprache aufgeschrieben, die Autorin knallt uns ihre geballten rassistischen und misogynen Erfahrungen vor die Füße, sie springt in den Zeitebenen hin und her und lässt uns kaum Zeit zum Atemholen. Das wirkt sehr unmittelbar, ist oft anstrengend, aber durchaus ein wichtiger Beitrag für eine literarische Auseinandersetzung mit den Erfahrungen marginalisierter Menschen. Ich hätte mir trotzdem eine literarischere Aufarbeitung des Stoffes gewünscht, weil ich finde, dass das, was nicht explizit ausgesprochen wird, oft für einen größeren Nachhall sorgt und einen unmittelbareren Schreckensraum öffnen kann. Hier muss man nicht zwischen den Zeilen lesen, alles wird auf den Tisch gebracht und erklärt. Das hat natürlich seine Berechtigung, denn der Text wirkt wie ein Befreiungsschlag. Und wer wütend ist, muss keine Rücksicht auf literarische Feinheiten nehmen.
Jedenfalls bin ich sehr gespannt, was Jasmina Kuhnke als Nächstes schreibt, Stoff genug hat sie mit Sicherheit!