horizonterweiternd, berührend und zum Nachdenken anregend

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derblauevogel Avatar

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Ich habe dieses Buch gelesen und bin begeistert.

Jetzt im Nachhinein finde ich, dass die online verfügbare Hörprobe unglücklich gewählt wurde, weil sie wichtige Stellen vorwegnahm und ich an manchen Stellen schon vorher wusste, was passieren würde. Dies nahm die Spannung weg und ist sehr schade.
Deswegen rate ich vom Anhören der Hörprobe ab und empfehle die Leseprobe, die andere Inhalte offenbart.
Wer dies in die Tat umsetzen möchte, sollte auch die Triggerwarnung ernst nehmen.
Die Inhalte sind nicht immer leicht zu verdauen und können triggern.
Aus diesem Grunde hat die Autorin vermutlich nicht klar kommuniziert, was der Geschichte ihr selbst passierte und was nicht. Ich kann diese Entscheidung absolut nachvollziehen, wobei ich ehrlich zugebe, dass der neugierige Teil in mir trotzdem gerne wissen würde, was nun fiktiv und was real war.
Dies ist jedoch Meckern auf ganz hohem Nivau. Der Schritt an die Öffentlichkeit, den die Autorin mit diesem Buch machte, war vermutlich schon schwierig genug. Es braucht viel Mut dafür und ich bin dankbar, dass die Autorin diese mit der Veröffentlichung dieses Buches zeigte. Vielleicht bringt sie zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal Mut auf und deckt die Geschichte auf, dies ist aber nichts, was man verlangen könnte, finde ich.

Toll finde ich, dass die Autorin ihr Buch selbst vorliest. Ich finde es so persönlicher, als wenn es eine Fremde Person getan hätte, wobei anzumerken ist, dass die Autorin wenig bis gar keine Gefühle in ihrer Stimme zulässt. Dies soll uns Hörern wohl helfen, uns unsere eigene Meinung zu bilden, ohne die ihre mit einfließen zu lassen. Mich persönlich hätten jedoch Reaktionen der Autorin interessiert.

In dem Buch wird der Werdegang der Ich-Erzählerin (bestehend aus Fiktion + Realität) gut dargestellt.
Von klein auf, bis im späten Erwachsenenalter wird die Ich-Erzählerin von Rassismus und Co begleitet.
In der Grundschule wird sie schikaniert, beziehungstechnisch fällt sie in eine toxische Beziehung, die Liste ist lang; seelische und körperliche Gewalt ziehen sich wie ein roter Faden durch den Lebenslauf der Ich-Erzählerin.
Ihre Gedankengänge sind verständlich, emotional und jedem, der Ähnliches durchgemacht hat, vertraut.
Schade fand ich hierbei, dass der Fokus des Buches ganz klar auf der Schilderung des Lebenslaufes der Ich-Erzählerin lag; es ist ein sehr guter Roman, um sich besser in Opfer von Rassismus/ Gewalt und toxischen Beziehungen hinversetzen zu können. Tipps und Strategien, sich selbst aus einer solchen Lage zu befreien, gibt es (abgesehen vom Lebenslauf der Autorin) nicht.

Zum Schreibstil sei noch gesagt, dass die Ich-Erzählerin ihm hohen Maße Fäkalsprache (F*** und Co.) verwendet. Mich persönlich hat dies nicht gestört, da es die (nicht 100%ige) Autobiografie wirklich, ungeschönt, realitätsnah darstellt. Euphemismen oder sachliche Sprache wären meiner Meinung nach Fehl am Platz, aber vielleicht ist es für einen anderen potentiellen Leser ein Störfaktor.

Was meinen Lesefluss jedoch gestört hat, war das regelmäßige Springen zwischen den Zeiten.
In der einen Zeile wird die Ich-Erzählerin misshandelt, in der anderen versucht sie diese Situation näher mit, in der Vergangenheit liegenden, Ereignissen, zu beleuchten. Was wohl dem tieferen Verständnis dienen sollte und zeigen sollte, dass das eine mit dem anderen zu tun hat, verwirrte mich etwas. Außerdem war da wieder meine neugierige Seite, die unbedingt wissen wollte, was nun in dem jeweiligen Moment passiert, ohne in die Vergangenheit zu springen. Dieses Warten war zeitweise nervend.

Da mich dieses Buch berührt und zum Nachdenken gebracht hat, möchte ich es zusammenfassend mit 4 Sternen bewerten. 3 Sterne waren zu wenig und 5 ein bisschen zu viel, da mich die Zeitensprünge dafür zu sehr störten.
Ich kann dieses Buch guten Gewissens weiterempfehlen.