Wer bin ich?

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ute54 Avatar

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Jasmina Kuhnke hat mit ihrem von Brutalität nur so strotzenden ersten Roman gegen Rassismus voll ins Schwarze getroffen. Auch hat ihre Weigerung, das Werk bei der Buchmesse persönlich vorzustellen, ihren Bekanntheitsgrad sicherlich gesteigert, denn das ging vermehrt durch die Presse.
Das Cover mit den groben Händen gefällt mir gut, denn es führt gut in die Problematik ein.
In der Inhaltswarnung führt sie verschiedene Gewaltformen an sowie Fäkalsprache, die für die Leserin belastend sein dürften, aber ich denke, dass sie dieses Werk in all seiner Wucht nur so zu seiner Intendierten Botschaft führen können. Ihr wechselnder Schreibstil zeigt die Bandbreite ihres Könnens.
Die Figuren aus dieser Parallelgesellschaft sind sehr authentisch dargestellt. Drogen, Gewalt und Krankheiten regieren das Leben der Protagonistin, die stellvertretend steht für geschundene Frauen aus diesem Milieu, mit dem ich bisher niemals konfrontiert wurde. Das Werk hat mich aufgerüttelt und meinen Horizont diesbezüglich erweitert, deshalb habe ich es auch in kürzester Zeit verschlungen.
Als Kind einer alleinerziehenden Kroatin und eines Senegalesen, der vor ihrer Geburt verstirbt, merkt Jasmina, dass sie aufgrund Ihrer Hautfarbe “anders” ist. Der Stiefvater behandelt sie oft schlecht, diskriminiert sie, ebenso wie die Kinder auf dem Gymnasium, die aus einem anderen sozialen Umfeld stammen. Ohne Berufsausbildung und hilflos, gerät sie in die Fänge ihres Ehemannes, der sie schlägt, in jeder Hinsicht erniedrigt und sie hörig macht.Sie lebt nur für ihre Kinder.
Nur der Laufsport gibt ihr Anerkennung und Kraft, jedoch muss sie diesen aus gesundheitlichen Gründen bald aufgeben. Die schwarze Ich - Erzählerin hat ein sehr negatives Selbstbild und erkennt erst spät, dass sie sich aus den auferlegten Ketten befreien muss, da sie aber keine Freunde und familiäre Unterstützung hat, fällt ihr das umso schwerer.
Im letzten Viertel des Buches tritt jedoch eine Wendung ein.
Wir haben hier eine sehr emotional erzählte Selbstfindungsgeschichte, die vielen Frauen die Augen öffnen sollte, um Ihnen Kraft zu einer Entwicklung vom abhängigen, hilflosen Opfer zu einem individualisierten, selbstbestimmten Leben zu geben.
Das Buch hat auch mir die Augen für die Problematik geschärft, und ich kann es allen Frauen empfehlen, die bereit sind zu hinterfragen: "Wieviel Gewalt kann ein Mensch ertragen".