Der Titel ist Programm...

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern Leerer Stern
mike nelson Avatar

Von

Der Titel ist Programm... In Amira Ben Saoud's aktuellem Roman "Schweben" ist nur wenig so richtig greifbar, alles hängt förmlich 'in der Schwebe'. In einer nicht näher benannten Zukunft hat sich die Welt 'entglobalisiert' - es existieren kleine, eher isolierte Siedlungen. Jede Siedlung ist auf bestimmter Produkte spezialisiert (Holz, Medikamente) - die einzigen Beziehungen der Siedlungen untereinander sind Handelsbeziehungen, ansonsten existieren starre Grenzen und die Überzeugung, dass das Individuum außerhalb der eigenen Siedlung nicht überlebensfähig sei. In einer dieser Siedlungen lebt Nadja, die sich einen eigenen Job gebastelt hat - andere Menschen zu ersetzen, sich mittels Mimikrie in jemand anderen zu verwandeln und bespielsweise die Rolle der verlorenen Partnerin einzunehmen. Nadja, die zusehends vergisst, wer sie eigentlich selbst ist, nennt diesen Job 'Begegnungen'. Sie taucht ein in eine gewaltgezeichnete Beziehung zu einem Mann und opfert dafür eine mögliche eigene Liebesgeschichte. Seltsame Dinge ereignen sich in der Siedlung, einige Bewohner*innen können plötzlich schweben, sich über sich selbst hinaus erheben. Am Ende auch Nadja. Aber ist das die ersehnte Freiheit? Die Freiheit der Wahl bezüglich der eigenen Identität? Die Freiheit der Nicht-Festlegung, des Wechsels zwischen möglichen Identitäten? Oder droht gerade da der Absturz? Die Antwort auf diese Frage erhalten wir von der Autorin nicht, aber sie mutet uns einiges an Ungewissheit zu...