Ein wertiger Debutroman!
Mit „Schweben“ legt die Waldviertlerin Amira Ben Saoud ihr gelungenes Debüt vor. Sie erzählt von einer entfremdeten Welt, einer Welt nach der Klimakatastrophe. Die politischen Einheiten sind zu kleinen Siedlungen geworden, das große Ganze für den Blick des Einzelnen unerschließbar.
Der Beginn hat mich stark an John Lanchesters „Die Mauer“ erinnert. Hier wie dort findet der Leser sich in einer klar umgrenzten Gesellschaft wieder, die stark bewacht wird und deren Verlassen offensichtlich den Tod bedeutet.
Schweben ist ein Roman über Identität. Die Protagonistin tut sich sichtlich schwer damit, sie selbst zu sein. Allein der Bedarf an ihrem Berufsbild zeigt jedoch, wie wenig sich Menschen mit Verlust abfinden können. Es gibt die Unmöglichkeit mit dem „Ich“ zu leben, aber auch die, es mit dem „Du“ auszuhalten. Tatsächlich ist dies nicht weit weg von unserer Realität, in der KI nun dafür genutzt werden soll, Tote über das Einspeisen von Fotos und Filmen wiederauferstehen zu lassen. Wird uns das bislang Endgültige verloren gehen? Tut man sich selbst etwas Gutes, wenn man daran festhält? Dieser Roman wirft für mich genau diese Fragen auf und schwimmt damit für mich voll im Zeitgeist. Auch Social Media, die Insta-Leben, die täglich millionenfach inszeniert werden, werfen diese Fragen nach Identität auf. Die Selbstdarstellung hochstilisiert zum höchsten Wert. Wer bin ich? Wer bist Du? Und ab welchem Punkt löst man sich auf?
Und wenn dann Beziehung stattfindet, wie findet sie statt? Mit Schmunzeln darf der Leser hier wahrnehmen, dass die Figuren Beziehung oft gar nicht aushalten. Partner, die unausweichlich Reibung brauchen, um sich selbst zu spüren, driften auf das Beziehungsende zu weil sie gar nicht anders können. Von der Autorin sehr gut beobachtet, wird die Unfähigkeit, Beziehung überhaupt zu leben, geschildert.
„Sie sprachen viel miteinander, bedachten einander mit zärtlichen Berührungen und kleinen Aufmerksamkeiten. Aber auch glückliche Beziehungen müssen sich konstant gegen die Bedrohung durch jene, die sie führen, behaupten. Wenn Iris allein war, konnte ich regelrecht miterleben, wie sie zu dieser Bedrohung wurde. Wie sich eine Unruhe in ihren Zügen bereitmachte, eine Unzufriedenheit, die sich nicht ewig vor ihrem Freund würde, verbergen lassen.“
Spannend fand ich auch die augenscheinliche Gewaltlosigkeit der Siedlung. Abtreibung findet im Verborgenen statt. Selbst Vergewaltigungen werden negiert. Wo es keine Gewalt gibt, kann nicht vergewaltigt werden. Mir war gar nicht bewusst, dass es die Menschheit in einer gewaltfreien Gesellschaft unter Umständen gar nicht aushält. So entsteht ein Gesamtbild wie bei der Prohibition – offiziell gibt es sie nicht, aber der Untergrund tobt!
Ich bin mir unsicher, ob ich den Roman als feministisch bezeichnen würde, obwohl ich versucht habe, ihn so zu lesen. In einer Kritik dazu, fand ich die Meinung, dass die Männer die Kontrolle behalten. Das sehe ich nicht so. Ich finde auch die Protagonistin stark und wenn sie sich unterordnet, dann will sie das für mich auch irgendwie. Es wirkt wie eine bewusste Entscheidung zur Unterordnung. Für mich wirken beide Geschlechter gleich stark, ein Schluss, der tatsächlich auch feministisch gewertet werden kann.
Aus meiner Sicht liegt in der Art wie Ben Saoud Zwischenmenschliches durchschaut die Stärke des Romans. Ich mag die Scharfsinnigkeit der Autorin, auch wenn mir nicht immer klar war, worauf sie hinauswill. Das Buch ist sehr gelungen und einsichtig. Ich hoffe auf mehr von ihr!
Der Beginn hat mich stark an John Lanchesters „Die Mauer“ erinnert. Hier wie dort findet der Leser sich in einer klar umgrenzten Gesellschaft wieder, die stark bewacht wird und deren Verlassen offensichtlich den Tod bedeutet.
Schweben ist ein Roman über Identität. Die Protagonistin tut sich sichtlich schwer damit, sie selbst zu sein. Allein der Bedarf an ihrem Berufsbild zeigt jedoch, wie wenig sich Menschen mit Verlust abfinden können. Es gibt die Unmöglichkeit mit dem „Ich“ zu leben, aber auch die, es mit dem „Du“ auszuhalten. Tatsächlich ist dies nicht weit weg von unserer Realität, in der KI nun dafür genutzt werden soll, Tote über das Einspeisen von Fotos und Filmen wiederauferstehen zu lassen. Wird uns das bislang Endgültige verloren gehen? Tut man sich selbst etwas Gutes, wenn man daran festhält? Dieser Roman wirft für mich genau diese Fragen auf und schwimmt damit für mich voll im Zeitgeist. Auch Social Media, die Insta-Leben, die täglich millionenfach inszeniert werden, werfen diese Fragen nach Identität auf. Die Selbstdarstellung hochstilisiert zum höchsten Wert. Wer bin ich? Wer bist Du? Und ab welchem Punkt löst man sich auf?
Und wenn dann Beziehung stattfindet, wie findet sie statt? Mit Schmunzeln darf der Leser hier wahrnehmen, dass die Figuren Beziehung oft gar nicht aushalten. Partner, die unausweichlich Reibung brauchen, um sich selbst zu spüren, driften auf das Beziehungsende zu weil sie gar nicht anders können. Von der Autorin sehr gut beobachtet, wird die Unfähigkeit, Beziehung überhaupt zu leben, geschildert.
„Sie sprachen viel miteinander, bedachten einander mit zärtlichen Berührungen und kleinen Aufmerksamkeiten. Aber auch glückliche Beziehungen müssen sich konstant gegen die Bedrohung durch jene, die sie führen, behaupten. Wenn Iris allein war, konnte ich regelrecht miterleben, wie sie zu dieser Bedrohung wurde. Wie sich eine Unruhe in ihren Zügen bereitmachte, eine Unzufriedenheit, die sich nicht ewig vor ihrem Freund würde, verbergen lassen.“
Spannend fand ich auch die augenscheinliche Gewaltlosigkeit der Siedlung. Abtreibung findet im Verborgenen statt. Selbst Vergewaltigungen werden negiert. Wo es keine Gewalt gibt, kann nicht vergewaltigt werden. Mir war gar nicht bewusst, dass es die Menschheit in einer gewaltfreien Gesellschaft unter Umständen gar nicht aushält. So entsteht ein Gesamtbild wie bei der Prohibition – offiziell gibt es sie nicht, aber der Untergrund tobt!
Ich bin mir unsicher, ob ich den Roman als feministisch bezeichnen würde, obwohl ich versucht habe, ihn so zu lesen. In einer Kritik dazu, fand ich die Meinung, dass die Männer die Kontrolle behalten. Das sehe ich nicht so. Ich finde auch die Protagonistin stark und wenn sie sich unterordnet, dann will sie das für mich auch irgendwie. Es wirkt wie eine bewusste Entscheidung zur Unterordnung. Für mich wirken beide Geschlechter gleich stark, ein Schluss, der tatsächlich auch feministisch gewertet werden kann.
Aus meiner Sicht liegt in der Art wie Ben Saoud Zwischenmenschliches durchschaut die Stärke des Romans. Ich mag die Scharfsinnigkeit der Autorin, auch wenn mir nicht immer klar war, worauf sie hinauswill. Das Buch ist sehr gelungen und einsichtig. Ich hoffe auf mehr von ihr!