Identitätsverlust

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gkw Avatar

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Der Roman spielt in einer zukünftigen Zeit. Nach der Erhitzung durch den Klimawandel ist es wieder abgekühlt, die Menschen leben in kleinen Einheiten.
Die Hauptperson ist lange Zeit namenlos, sie hat sich verloren in den vielen Rollen, die sie gespielt hat. Sie lebt von "Begegnungsarbeit". Für Eltern, Geschwister, Freund, Partner schlüpft sie in die Rolle einer Frau, von der sie verlassen wurden und gibt diesen damit die Gelegenheit, die Beziehung erneut zu durchleben. Die meisten Beziehungen, die sie "nacharbeitet", sind toxisch, doch sie scheint genau diese Problematik zu brauchen. Das Aufgehen in den Rollen hilft ihr, vor der Auseinandersetzung mit sich selbst, ihrer eigenen Identität, auszuweichen.
Die düstere Welt, in der sie lebt, ist nicht vollständig dargestellt, vieles wird nur kurz erwähnt, sein Bild muss man sich selber machen. Auch die Personen sind nur vage ausgearbeitet. So muss man sich mögliche Motive, die hinter ihrem Verhalten stehen, selbst erklären, aber vieles bleibt rätselhaft. Warum kann sich die Hauptperson nicht einlassen auf ein mögliches Glück mit einem Mann, der offenbar eine Beziehung zu ihr sucht?
Die seltsamen und rätselhaften Verhaltensweisen und Vorkommnisse passen natürlich hervorragend zum dystopischen Setting und gründlich kann man bei nur 188 Seiten auch nicht sein. Es entsteht eine düstere Grundstimmung, eine gewisse Beklemmung überträgt sich auf den Leser.
Das Buch ist sehr gut lesbar, in klarer Sprache wird alles recht lapidar und emotionslos erzählt und diese Emotionslosigkeit verstärkt das latente Unbehagen.
Ich fand ca. 3/4 des Buches richtig gut, dann wurde es mir zu abgedreht. Es gab dann nicht plausible, sehr konstruierte Zusammenhänge zwischen den Personen und surreale Vorgänge, nichts wurde erklärt, das war mir dann doch zu absurd. Schade.
Das Buch beinhaltet viele Themen, vielleicht etwas zu viel für 188 Seiten: Kontrollverlust und Gewalt, Identität und Realitätsverlust, toxische Beziehungen.
Das Cover ist gut gewählt, es drückt für mich die Einsamkeit aus, die fehlende Beziehung zu der Welt, die einen umgibt.

Fazit: Insgesamt ein interessantes Romandebüt mit guter Ausgangsidee, das sich gut lesen lässt, aber (für meinen Geschmack) in manchen Aspekten hätte detaillierter ausgearbeitet werden sollen und im letzten Abschnitt zu absurd wurde.