Fesselnd, mitreißend und detailreich

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zuckerblueten Avatar

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Kurz vor dem Ausbruch des 1. Weltkriegs, 1913, erblickt Hanna das Licht dieser Welt Nur wenige Jahre später stirbt ihre Mutter und sie wächst bei ihren älteren halben Schwestern auf. Kein wirklich idealer Ausgangspunkt für ein erfülltes Leben. Doch eines nimmt Hanna aus jener Zeit definitiv mit, etwas, was sie ihr ganzes Leben begleiten wird: die Liebe zu den Blumen.

Die Grundlagen der Blumenbinderei erlernte sie im Geschäft der Schwester Rosa und ihres Mannes in Berlin. Zurück in Magdeburg ergab es sich durch einen Zufall, dass sie Karl, ihren zukünftigen Ehemann, kennenlernte. Stets formulierte sie klar, dass es sich nicht um den erwünschten Traummann handele, sondern eher die Zweckmäßigkeit die Hochzeit der beiden bedingte. Auch später liest sich das immer wieder. Karl eignete sich nicht wirklich für die große Liebe, erst recht nicht, wenn er sich dem Alkohol zuwandte.

Ihr Glück und ihre Zufriedenheit fand Hanna in ihrem eigenen Geschäft. Der kleine Blumenladen war nichts Besonderes. Er befand sich zudem in einem Viertel in Magdeburg, in das die Menschen nicht zum Bummeln kamen, weil es von Armut gezeichnet war. Dennoch mochte Hanna das Umfeld, vor allem die Johanniskirche, nach der sie ihren ersten Sohn benannte. Sie brachte es nicht zu Reichtum, vielmehr reichte es gerade so zum Überleben. Es gab einmal jedoch einen spannenden Auftrag, gut bezahlt und dennoch geheimnisvoll. Hanna sollte einen Strauß, der auf einem bekannten niederländischen Gemälde zu bewundern ist, nachbilden. Leider meldete sich der Auftraggeber nicht mehr, der Strauß blieb Hanna ihr Leben lang jedoch im Gedächtnis...
Der zweite Weltkrieg zwang Hanna zur Aufgabe ihres geliebten Geschäftes. Es sollten jedoch noch unzählige Schicksalsschläge folgen. Einer, den Hanna immer wieder beschäftigte, war der Tod ihres Sohnes Johannes beim Feuersturm. Insgesamt bekam sie sechs Kinder, wovon zwei umkamen.

Nach dem Krieg lebte Hanna natürlich im Gebiet der ehemaligen DDR. Kranführerin sollte ihr neuer Beruf sein, eine Vorstellung, die ihr anfangs nicht gefiel. Dennoch wuchs sie auch hier in ihren neuen Bereich hinein, nahm ihre Aufgaben ernst und ernte entsprechende Anerkennung dafür. Die Autorin zeichnet, wie in allen Abschnitten des Buches, auch hier ein sehr detailreiches Bild. Vor allem Leser, die selbst noch einen Teil dieser Republik erlebt haben, werden vieles wiedererkennen; sei es die Beschreibungen des Kaufhauses und des großen Blumengeschäfts, das eigentlich immer zu wenig anzubieten hatte, oder die Schlangen vor Geschäften, wenn es wieder einmal etwas Spezielles gab.

Für mich bot dieses Buch ein wunderbares Leseerlebnis. Die Autorin schaffte es, mich von Beginn an zu fesseln. Ihr gelang eine ausgewogene Balance zwischen zeitlichen Episoden, der Beschreibung von historischen Gegebenheiten und dem Leben einer Frau, die vieles ertragen musste, dabei jedoch wenig leben durfte.

Wunderschön finde ich den blumigen Beginn eines jeden Kapitels. Er steht für etwas Außergewöhnliches, das hier nicht genannt wird, und vor allem für Hannas innige Verbindung und Liebe zu den Blumen, die niemals vergingen.

Hanna selbst steht für mich für viele Frauen einer Generation, die stets Verantwortung tragen mussten, in deren Leben jedoch für Selbstverwirklichung, Lebensfreude und Liebe oft nur wenig Platz blieb. Diese Frauen mussten Kriege miterleben, Verluste ertragen und Schicksalsschläge hinnehmen. Sie arbeiteten ein Leben lang, bauten mit auf und funktionierten. Auch das beschreibt die Autorin treffend und man merkt schnell, dass für Gefühle und Emotionen in dieser Welt kein wirklicher Raum zur Verfügung stand.

Das Buch hat meine Erwartungen nicht nur erfüllt, sondern weit übertroffen. Sehr real, klug und beeindruckend. Absolute Leseempfehlung!