Hanna Krause lehrt uns Geschichte

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' Hanna hatte es eilig, wie es in Berlin alle immer eilig hatten... .'

Hanna Krause, eine Frau, ein Unikum, eine Zeitzeugin deutscher Geschichte. Fast ein Jahrhundert umspannendes Werk aber dabei so kurzweilig erzählt. Annett Gröschner schafft mich emotional in dieser Geschichte abzuholen, obwohl der Schreibstil teilweise sehr nüchtern daher kommt.

Ich hatte das Gefühl, dass Hannas Leben so vorbeirauscht, vielleicht weil wirklich viel in ihrem Leben und ums sie herum im Leben und in Deutschland passiert.

Als Frühwaise bahnt sie sich ihren Weg mithilfe oder trotz ihrer älteren und sehr eigenen Halbschwestern. Durchlebt Kriege und eine Ehe, bekommt ein Kind nach dem anderen, verliert Kinder, muss mehrfach abtreiben in einer Zeit, in der dies verboten und große Risiken für das eigene Leben birgt, behauptet sich in einem sozialistischen System, dem sie durchaus auch kritisch gegenüber steht.
Und wie genial ist diese Frau in ihrer Berufswahl. Die passionierte Blumenbinderin, ein Beruf in den sie familiär hineinwächst, wird später zur ersten weiblichen Kranfahrerin und liest nebenher Thomas Mann. Ihr Leben lang verbringt sie in Magdeburg, von einer Stippvisite in Berlin angesehen, und den größten Teil im berüchtigten Ortsteil Knattergebirge. Meine geopolitischen Kenntnisse wurden damit erweitert.

Man muss diese Frau einfach in ihr Herz schließen. Beim Lesen keimte mehrfach der Wunsch aus, Hanna jetzt vis-a-vis gegenüber zu stehen. Etwas von ihrer Energie, ihrer Schnodderigkeit, die trotz allem vor Lebenslust sprüht, einsaugen.

Ein Buch, dass so vieles ist: Familienroman, Zeitgeschichte, feministische Lektüre, ohne aber den Anspruch zu haben, dies alles sein zu müssen. Ich habe mich regelrecht aufs Weiterlesen gefreut. Ich habe gelacht, aber auch sehr viel gelitten, ich habe mich in Ambrosius Bosschaerts Blumengemälde verliebt und am Ende ziehe ich meinen Hut. Vor Hanna Krause.

' Kein Mensch mehr zu hören. Was für ein Luxus. Sie war ganz bei sich.'