Psychologischer Spannungsroman

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steffmcfly Avatar

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Einen Tag vor Heiligabend beschließt Esther zu ihrer jüngeren Schwester zu fahren. Diese lebt zurückgezogen in einem alleinstehenden Haus mitten im Wald, wo es so abgelegen ist, dass hin und wieder das Netz ausfällt und somit das Tor zur Außenwelt abgeschnitten wird.
Aus einem angedachten Kurzbesuch werden mehrere Stunden, in denen längst überfällige Themen auf den Tisch gebracht werden. Doch wären die daraus folgenden Taten nötig gewesen?

Ich bin sehr gut in das Buch gestartet und hab mich in den abwechselnden Erzählperspektiven sofort wohl gefühlt. Die Geschichte wird jedoch nicht nur aus den Blickwinkeln der beiden Schwestern, sondern später auch aus Martins Sicht – dem Mann von Esther – erzählt.
Auf diese Weise erhält die Leser:in Einblicke in die Wahrnehmung des Gegenübers, was so manche falsch in Erinnerung gehaltene Situation komplett umdreht.

Obwohl die Charaktere bis zum Ende ziemlich undurchsichtig waren, wurden immer mehr ihrer Charaktereigenschaften offenbart und gaben somit einen klareren Blick auf die Geschehnisse sowohl in der Gegenwart als auch in der Vergangenheit.

Immer wenn ich dachte, ich hätte die Geschichte durchschaut und wisse, wer der:die Böse ist, wurde ich ein paar Seiten weiter eines Besseren belehrt. Somit waren bis zum Ende die Fronten offen und Situationen konnten immer wieder neu beleuchtet werden.

Die Atmosphäre war für mich durchweg ein wenig bedrohlich, bedrückend und sehr nebulös. Selbst wenn es um Diskussionen ging, die eigentlich sehr nichtig erscheinen, hatte ich durchweg das Gefühl, dass hier irgendwas nicht stimmt. Ich war angespannt und konnte die Luft zwischen den beiden Schwestern fast schon greifen.

Einige der Erzählungen und die Wiederholung des vermeintlich niedlichen Kosenamens „Schnecke“ machten mich schier wahnsinnig. Dennoch empfand ich „Schweig“ als ein sehr facettenreiches und in sich verworrenes Buch, das ich gerne gelesen habe.

Wer außer Acht lässt, dass es sich nicht um einen Thriller, sondern in meinen Augen eher um eine Geschichte mit Spannungselementen handelt, ist mit „Schweig“ auf jeden Fall gut bedient und überdenkt eventuell voreilig gezogene Schlüsse.