Der Tod kommt von gelehrter Hand...

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mythenmetzfan Avatar

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"Scythe – Die Hüter des Todes" von Neal Shusterman ist ein sehr spannender Zukunftsroman.

Die Welt ist perfekt geworden: Es wurde alles vorhandene Wissen erlangt und in einer riesigen Cloud für alle zugänglich gespeichert, es wurden alle Krankheiten und das Altern besiegt - jeder kann sich zu jedem beliebigen Zeitpunkt auf jedes Alter resetten lassen, einen natürlichen Tod gibt es nicht mehr. Doch diese Welt hat auch Schattenseiten: Eine Mond- und Marskolonisierung wurden versucht und als unmöglich aufgegeben, die Menschheit muss auf der Erde bleiben, doch die Ressourcen - natürlich perfekt verwaltet vom alles umspannenden und gerechten digitalen Bewusstsein - reichen nicht für die immer größer werdende Weltbevölkerung. So muss es in dieser perfekten Welt den Tod doch geben. Nicht in dem Ausmaß in dem wir ihn heute kennen, sondern viel viel seltener und nach viel mehr Lebensjahren, doch es gibt ihn. Wie stirbt man aber in einer Welt ohne natürliche Todesursachen? Durch die Hand der Scythe - einer erlesenen Gemeinschaft, die Seelen "nachlesen". Von diesem Tod, den die Scythe bringen, gibt es keine Wiederkehr, kein Wiederbeleben, wie von so vielen anderen Unfällen. Die Scythe sind Heilige und Geächtete zugleich, jeder erkennt, dass sie notwendig sind, aber keiner will etwas mit ihnen zu tun haben.
Citra und Rowan stammen aus Familien in verschiedenen Bevölkerungskreisen und doch sind sie beide gleich schockiert, als der Ehrenwerte Scythe Faraday sie zu seinen Lehrlingen macht. Sie lernen die verschiedensten Formen des Tötens und alles was man über den Tod wissen muss - und das ist einiges. Sie lernen auch die Gesellschaft der Scythe und ihre politischen Ränkespiele hinter den Kulissen kennen. Und schließlich werden sie immer tiefer hineingezogen in Ränke, Intrigen, ehrenhafte Morde und Massaker. Sie wollen keine Berufsmörder werden, fürchten sich aber beide davor, was passiert, wenn weniger ehrhafte Teenies es würden.

Ich möchte hier nicht spoilern - lest selbst, wie es ausgeht.

Die Sprache und der Erzählstil der Geschichte sind sehr spannend und flüssig, gleichzeitig werden aber die philosophischen und ethischen Fragestellungen und Diskussionen nicht zu kurz gehalten, sie kommen durch Tagebucheinträge sehr schön rüber und helfen dem Leser sich sehr gut in die Dilemmata, in denen sich die Scythe und die Lehrlinge befinden, einzufühlen. Man fühlt sehr mit und leidet auch mit. Der fantastische Erzählstil macht es möglich. Man kann gar nicht mehr aufhören zu lesen.

Die Figuren werden sehr anschaulich charakterisiert und genau beschrieben, die guten wie die schlechten. Auch die Gesellschaft wird genau erklärt, sodass man sich schnell in der andersartigen Zukunftswelt einfindet.

Insgesamt wirklich ein sehr spannendes Buch, das aber auch nachdenklich stimmt. Für alle, die gerne spannende Fantasygeschichten lesen, aber auch für alle, die sich mit komplizierten philosophischen und ethischen Fragestellungen auseinandersetzten wollen gleichermaßen empfehlenswert!

Der erste Band (denn das ist das Buch, der erste Teil einer Trilogie) ist für mich in sich stimmig, schlüssig und abgeschlossen. Es wird am Ende alles erklärt und aufgelöst. Ich kann zum ersten Mal seit langem sagen: Bravo, so schreibt man ein einzelnes, eigenständiges Buch und flüchtet sich nicht in zig Fortsetzungen! Und doch: Es soll noch zwei Teile geben! :D Darauf freue ich mich aber, denn das Buch ist wirklich ein Feuerwerk an Ereignissen und Gedanken!