Aus dem Leben einer Tourette-Heldin

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„Großbuchstaben sprechen nachts mit sich selbst.“, „Hast 'nen Hamster in der Hose, nimm ein Bad.“ und „Sollen wir eine Gedenkminute für Esel einlegen?“ sind nur drei der vielen verschiedenen Sätze, die ganz ohne ihr Zutun Jessica Thoms Mund verlassen. Dazwischen sagt sie immer wieder das Wort „Keks“ und das hochgerechnet 6 Millionen Mal pro Jahr, sowie unzählige, unkontrollierbare Schläge auf ihre eigene Brust.

In dem etwa 220 Seiten starken Buch „Sechs Millionen Kekse im Jahr“ berichtet Jessica Thom tagebuchähnlich von einem Jahr ihres Lebens mit Tourette. Beim Tourette-Syndrom handelt es sich um eine neurologische Störung, die die Betroffenen dazu bringt, Dinge zu sagen und Bewegungen zu machen, die sie nicht kontrollieren können, die sogenannten Tics. Dazu gehören bei manchen Tourette-Patienten auch Beleidigungen und obszöne Gesten. Erst als junge Frau ist Jessica bewusst geworden, dass sie unter dieser Erkrankung leidet, nachdem ihre Symptome immer eindeutiger und häufiger geworden sind. Trotz der vielen Einschränkungen, die durch die Störung ihres Nervensystems in ihr Leben treten, findet sie immer wieder einen Weg, sich zu behaupten. So arbeitet sie regelmäßig für eine Jugendorganisation und wohnt auch in einer eigenen Wohnung, zusammen mit Freunden. Diese sind ein wichtiger Halt für sie und geben ihr immer die Unterstützung, die sie durch Tourette benötigt. Sie selbst bezeichnet sich als „Touretteshero“ und auch die Menschen um sie herum tragen alle Superheldennamen, die ihren Tics entsprungen sind, wie etwa „Leftwing Idiot“, King Russel“ oder „Fat Sister“.

Das Buch gibt einen guten Einblick in das Leben als Tourette-Betroffene. Jessica Thom erzählt auf anschauliche und stellenweise auch recht amüsante Weise von ihren täglichen Problemen, den Reaktionen ihrer Mitmenschen und der Fürsorge, die ihre Freunde täglich für sie aufbringen. Man kann gut nachvollziehen, wie man mit Tourette-Betroffenen umgehen sollte, was so wahrscheinlich auch auf viele andere körperliche Einschränkungen übertragbar ist. Das Buch lässt sich dank der vielen kleinen Episoden auch in sehr kleinen Stücken lesen, was für Leser mit geringer verfügbarer Zeit von Vorteil sein sollte.
Gut gefallen hat mir die Thematik und deren abwechslungsreiche Umsetzung. Eine Spannung wie bei einem guten Thriller sollte man aber nicht erwarten. Irgendwann ähneln sich die Erlebnisse doch und so ist der Umfang des Buches genau richtig.

Besonders empfehlenswert ist dieses Buch wohl vor allem für Menschen, die beruflich oder auch privat mit Tourette-Patienten zu tun haben, sowie für Leser, die gern in den Tagebüchern von besonderen Menschen lesen. In Schulnoten gebe ich diesem Buch eine 2, in Sternen ausgedrückt sind es 4 von 5.