Doppelt hält besser

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theresia626 Avatar

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Die Leseprobe zu „Seelenriss“ von Hanna Winter entführt den Leser nach Berlin. Der Prolog erzählt in kurzen Zügen die Geschichte von Lynn Maurer. Sie ist eine junge Frau, die seit vielen Jahren ein Doppelleben führt. Auf der einen Seite ist sie mit Sven befreundet und erwartet ein Baby von ihm. Er neigt zu exzessiven Gewaltausbrüchen. Dennoch würde sie eine Trennung von ihm nicht überleben. Auf der anderen Seite liebt sie Annette, eine Sozialarbeiterin, die gerade ihren zweiten Alkoholentzug erfolgreich abgeschlossen hat. Beide hatten einen Kurzurlaub nach Teneriffa geplant. Die Tickets lagen bereit, nur der Koffer muss noch gepackt werden. In zwei Tagen sollte die Reise losgehen. Dann geschieht etwas Unfassbares: Lynn hält eine Schale mit ätzender Säure in der Hand, deren Dämpfe ihre Sinne benebeln und „Sekunden später drangen markerschütternde Schreie aus der Wohnung, die im ganzen Haus zu hören waren.“ (S. 9) Hat sie sich wirklich selbst so verstümmelt und einen qualvollen Tod in Kauf genommen?

Lena Peters hatte ihren letzten Fall vor fünf Tagen abgeschlossen. Gemeinsam mit ihrem Kollegen Wulf Belling ist sie dem „Stümmler“ auf die Spur gekommen. Beide sind ein eingeschworenes Team geworden, und nur dank Lenas Einsatz wurde seine vorzeitige Pensionierung aufgehoben. Belling, der sich durch Kompetenz auszeichnet und ein ausgeprägtes Einfühlungsvermögen besitzt, hatte unter Einsatz seines Lebens ihr Leben gerettet. Er vermutet, dass hinter dem Tod von Lynn Maurer mehr steckt als ein Freitod und ruft Lena an, die nach wenigen Minuten am Tatort erscheint. Allerdings wird sie von ihrem Kollegen Ben Vogt nicht sehr freudig empfangen. Er hat für Psychopathen-Versteher (S. 24) nichts übrig, der Fall Lynn Maurer ist reine Routine.

„Seelenriss“ ist der zweite Teil der Serie um die Profilerin Lena Peters und lässt sich angenehm lesen. Nicht besonders originell finde ich die Rückblenden auf den Vorgängerroman „Opfertod“. Der interessierte Leser braucht das Buch nicht mehr zur Hand zu nehmen. Große Kriminalliteratur wird nicht zu erwarten sein, dafür aber vielleicht ein unterhaltsamer Thriller, der sich bis jetzt durch einen flüssigen und unkomplizierten Schreibstil und kurze Kapitel auszeichnet. Etwas sehr weit hergeholt erscheint mir allerdings schon jetzt, dass ein Opfer, das durch Säure schwerste Verletzungen erlitten hat, auch noch dazu in der Lage ist, aus dem Fenster zu springen. Oder wollte ihr Mörder sichergehen, dass sie wirklich tot ist? Die Leseprobe ist diesmal nicht so unendlich lang und vermittelt einen ausreichenden ersten Eindruck.