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Hanna Winter: Seelenriss

Lena Peters, die charismatische Profilerin aus "Opfertod" wird an den Schauplatz eines furchtbaren Selbstmordes gerufen: Das Opfer hat sich zunächst mit Säure übergossen und anschließend aus dem Fenster gestürzt. Peters glaubt nicht an das Offensichtliche und gerät selbst ins Visier eines Serienmörders, der nach einer Liste vorzugehen scheint. Nur, wenn es ihr rechtzeitig gelingt, die Verbindungen zu finden, kann dem Täter das Handwerk gelegt werden ...


Der Roman "Seelenriss" der deutschen Autorin Hanna Winter ist in fünfzig kurze Kapitel gegliedert. Aus auktorialer Perspektive liegt der Focus stets auf einer Person, zumeist jedoch auf Lena oder dem Mörder. Die Kapitelnummern sind ergänzt um Orts- und (meist relative) Zeitangaben, die als Mittel zur Kennzeichnung des Szenenwechsels dienen sollen.

Stilistisch werden hier Anleihen bei der Gattung des Dramas genommen, was den Roman in die Nähe einer bewußten Inszenierung rückt. Tatsächlich scheint das Werk als Kopf-Film angelegt, worauf die starke Betonung der visuellen Komponente schließen läßt. Nicht nur erinnert die rasche Kapitelabfolge an die Szenenwechsel eines Filmes, auch die Zeichnung der Figuren erfolgt anhand von Äußerlichkeiten. So wird jeweils auf Größe, Körperbau und Kleidung hingewiesen, der Charakter wird durch Zuschreibung von Attributen abgesteckt. Ben Vogt wird durch die persönliche Ansicht Lenas als "miserabler Kriminalist" und "rechthaberischer, kleingeistiger und eifersüchtiger Wichtigtuer" beschrieben und somit als Antipathieträger abgestempelt. Rollenzuschreibungen wie diese wirken plakativ und definieren die Geschichte von Beginn an als kurzfristige Unterhaltung, die nicht beabsichtigt, im Gedächntnis des Lesers zu verbleiben und nur wenig Raum für charakterliche Entwicklungen beläßt. Konsequenterweise bilden die Assoziationen zu einem Schulaufsatz und eine naiv wirkende Bearbeitung der entworfenen Handlung den roten Faden.

So treffen Figuren in brenzligen Situationen zuweilen schwer nachvollziehbare Entscheidungen. Ein mit einem Messer bedrohter Anwalt will etwa per Telephon nach dem Sicherheitsdienst rufen. Lena, die sich offensichtlich auf der Liste des Mörders findet, begibt sich, ohne die Kollegen zu informieren, auf ein Treffen, bei dem jeder Leser "Achtung Falle" schreien möchte.

Auch die Figur Lena Peters verbleibt sträflich oberflächlich. Ihre Fachkenntnisse als Profilerin werden genutzt, um Lügner zu entlarven, mit ihrer Beobachtungsgabe zu glänzen und Plattitüden wie "Serienkiller arbeiten grundsätzlich alleine." zu formulieren. In keinem Moment wird dem Leser das Gefühl vermittelt, mit dem Buch einen Mehrwert gegenüber einem durchschnittlichen Fernsehabend zu erfahen. Im Gegenteil, dutzendfach gehörte Feststellungen wie "Er ist unvorsichtig geworden und beginnt, Fehler zu machen" bestätigen das Bild der Beliebigkeit. Dazu kommt noch der sperrige Versuch, emotionalen Tiefgang zu erzeugen, die Protagonistin als verletzlich darzustellen, indem ihr wenig subtil gleich ein Gehirntumor verpaßt wird.

Exemplarisch sei noch jene Szene genannt, in der die Kriminalpsychologin einen Psychiater von seinem geplanten Selbstmord abhalten will, eine Konstellation, die von einem erstklassigen Thrillerautor wie John Katzenbach oder Wulf Dorn als ein nervenzerfetzendes Kopfduell von rhetorischer Brillianz inszeniert worden wäre. Nicht so im vorliegenden Fall. Der Dialog vermittelt abgestandene Räuber-und-Gendarm-Stimmung, die Lösung der Situation läßt auf Ratlosigkeit bei der Autorin schließen.

Fazit:
Der Roman präsentiert sich als Sammlung von Versatzstücken aus Michael Robotham, Ursula Poznanski und Vorabendfernsehkrimi. Der einzige Grund, warum er nicht mit dem Etikett "Kinderkrimi" verkauft wird, kann nur die sinnlose Grausamkeit des Mörder sein.