Gottesstrafe oder Teufelswerk

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern Leerer Stern
allegra Avatar

Von

**Inhalt** „Sehet die Sünder“ ist ein historischer Krimi, der im Jahr 1440 in der Bretagne spielt und in Anlehnung an einen waren Fall verfasst ist. Die Handlung findet an drei verschiedenen Schauplätzen statt, die gleichzeitig die drei Stände Bauern, Adel, Kleriker verkörpern. Saint Mourelles ist ein beschauliches, kleines Bauerndorf. Als Hauptfiguren sind der Bauer Mathis, Pfarrer Jeunet und Catheline, seine Haushälterin zu nennen. Der Lehnsherr der Bauern, Baron Amédé wohnt mit seiner Frau Bérénice und seiner Schwägerin Francine auf Schloss Troyenne, das den zweiten Hauptschauplatz darstellt. Ein weiterer Handlungsstrang spielt im Bischofspalast in Nantes. Amédé hat an der Seite von Johanna von Orléans gekämpft und genießt sehr hohes Ansehen, nicht zuletzt, weil er ein großzügiger Förderer der Wissenschaften und Künste ist, einen sehr aufwendigen Lebensstil führt und mit seinen Lehnsbauern einen sehr wohlwollenden Umgang pflegt. Leider kostet seine Lebensführung seinen Tribut und er muss Stück für Stück von seinen Ländereien an den Bischof von Nantes verkaufen, um seine Schulden zu begleichen. Seine Frau Bérénice ist darüber sehr unglücklich und zieht sich immer öfter mit ihrer Schwester Francine auf ein Landgut zurück. Der Bauer Mathis hat im vergangenen Jahr bei einem Söldnerüberfall Amédés Leben gerettet und hat seither ein lahmes Bein. Weil er befürchtet, dass er als Krüppel eine Familie nicht ernähren kann, löst er seine Verlobung mit Catheline, was diese sehr unglücklich macht. Der jähe Friede im Dorf Saint Mourelles wird gestört als hintereinander zwei Kinder verschwinden. Kurze Zeit später findet Catheline die Leiche eines Dorfangehörigen, der erwürgt worden ist. Mathis, der aufgrund seiner besonnen Art eine Vetrauensstellung im Dorf inne hat, kümmert sich um die Angehörigen und stellt an der Seite von Catheline erste Ermittlungen an. Da noch weitere Leichen auftauchen, veranlasst auch der Bischof Untersuchungen und betraut seinen Schreiber Julien Lacante mit dieser Aufgabe. Als dieser von einer Zeugin erfährt, dass sich jemand angeblich der Teufelsanbetung schuldig gemacht hat, veranlasst der Bischof gar eine Untersuchung der Inquisition. **Meine Meinung** Liv Winterberg zeichnet mit der Handlung im Umfeld des Barons Amédé de Troyenne eine wahre Geschichte nach, die sich 1440 in der Bretagne zugetragen hat. Erklärungen dazu findet man in einem sehr informativen Nachwort. An dieser Stelle möchte ich davor warnen, das Nachwort zuerst zu lesen. Es ist zwar bei der Lektüre oft hilfreich, wenn man den historischen Kontext kennt. In diesem Fall ist es aber schade, weil man dann beim Kriminalfall nicht mehr unvoreingenommen miträtseln kann. Neben einer Personenübersicht der fiktiven Figuren befindet sich hinten im Buch ein Glossar, in dem auch die historisch verbürgten Personen aufgeführt sind. Obwohl mich das Buch vom Inhalt her sehr anspricht und ich auch mit großem Interesse mit den Dorfangehörigen mitgefiebert habe, ob ein marodierender Söldner als Serientäters durch die Gegend zieht oder ob der Täter innerhalb der Dorfgemeinschaft zu suchen ist, hat mich die Handlung doch nicht so berührt, wie ich es mir gewünscht hätte. Durch die sehr kurzen Kapitel, die jeweils mit dem jeweiligen Schauplatz übertitelt sind und die häufigen Perspektivwechsel wurde der Spannungsbogen zwar immer recht hoch gehalten, mir war es aber schon zu hektisch, so dass ich nicht richtig ins Geschehen eintauchen konnte. Die Hauptfiguren sind anschaulich und ausführlich charakterisiert, so dass ich mir eine gute Vorstellung von ihnen machen konnte. Leider ist mir das von einigen Nebenfiguren nicht gelungen. Julien Lacante, der als Bindeglied zwischen den verschiedenen Ständen eigentlich eine Schlüsselrolle inne hat, blieb mir zu flach. Ganz besonders interessant fand ich die Darstellung des Inquisitonsprozesses. Das war weit mehr als was man so landläufig unter der Inquisition erwartet: dass eine Frau nur rote Haare brauchte und gleich auf dem Scheiterhaufen landete. Man merkt bei der Lektüre, dass es sich die Autorin nicht leicht gemacht hat und intensiv recherchiert hat. Sprachlich hat Liv Winterberg im Vergleich zu ihrem ersten Roman „Vom anderen Ende der Welt“ noch einen Zacken zugelegt. Es ist ihr sehr gut gelangen durch die Wahl der Ausdrucksweise die Stellung der einzelnen Figuren in der Gesellschaft zu unterstreichen. Die Handlung wird zu dem Abschluss geführt, den das historische Vorbild vorgibt, was mir sehr gut gefällt. Allerdings bleiben bei mir noch einige kleine Unklarheiten offen, die ich gerne auch noch aufgeklärt gehabt hätte. Wenn Personen als Verdächtige für falsche Fährten eingeführt werden, dann erfahre ich dennoch gerne, wo sie abgeblieben sind, auch wenn das die Geschichte an sich nicht voran bringt. Deshalb erscheint mir dieser Roman nicht so wirklich abgerundet. **Mein Fazit:** Dieser spannende historische Krimi hat mich recht gut unterhalten. Ich habe neben dem Kriminalfall einiges mitnehmen können, was die kirchliche Gerichtsbarkeit im Frankreich des 15. Jahrhunderts betrifft. Leider haben die häufigen Perspektivwechsel auf mich hektisch gewirkt. Ich wurde dadurch aus der Handlung herausgerissen und hatte Mühe, mit den Figuren Fühlung aufzunehmen.