Historische Spannung

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cracklinrosie Avatar

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Winter in der Bretagne 1440. Die Autorin versteht es meisterhaft, diese Zeit und die Personen der Story vor dem geistigen Auge aufleben zu lassen. Obwohl recht viele Personen vorkommen (die auch alle vor dem eigentlichen Buch dankbarer Weise erläutert stehen) war es für mich ein Leichtes, sie schnell zuzuordnen und unterscheiden zu können. Sogar die Personen im Dorf prägten sich mir zügig ein, sodass ich nach ca. 40 Seiten nicht mehr nachschlagen musste.
Sofort taucht man ein in diese dunkle Zeit, die mir stellenweise sogar noch etwas schöngefärbt erschien. Im Mittelpunkt stehen Catheline, die Haushälterin des Dorfpfarrers und der junge Bauer Mathis. Mathis und Catheline sollten eigentlich im nahenden Frühjahr heiraten, doch Mathis möchte von diesem Plan Abstand nehmen, da er sich durch eine Kriegsverletzung als Krüppel und Last betrachtet. Obwohl es sich hierbei natürlich um eine Romanze handelt, steht sie erfrischend selten im Vordergrund und beeinträchtigt daher für mich auch nicht die Spannung, die sich im Verlauf des Buches immer weiter aufbaut.
Lehnsherr der Dorfgemeinschaft ist Baron Amédé de Troyenne sowie dessen Frau Bérénice, die im angrenzenden Schloss Troyenne leben. Eine wichtige Rolle spielt außerdem der Klerus in Nantes: Der Bischof und sein Schreiber und Notar. Die Handlung wird parallel in Saint Mourelles sowie auf Schloss Troyenne und in Nantes fortgeführt. Dieser Aufbau war für mich in dieser Geschichte genial, da man sozusagen an verschiedenen Orten gleichzeitig ist.
Im Dorf Saint Mourelles verschwinden 2 Kinder und auch der Fund der ersten Leiche lässt nicht lange auf sich warten. Bald geschehen weitere Morde und im Dorf breitet sich Unruhe aus. Was bisher im Einklang war gerät aus dem Takt. Jeder verdächtigt nahezu jeden und das Miteinander gerät gehörig aus den Fugen. Mit der Zeit deuten immer mehr Spuren in Richtung Schloss, was die Tätersuche nicht gerade einfacher gestaltet, denn die Hierarchien sind in jener Zeit strikt und kompromisslos geregelt. Dennoch ist der Baron ausgesprochen zugänglich, da Mathis ihm seinerzeit das Leben rettete (woher auch dessen Verletzung rührt). Immer mehr Puzzleteilchen müssen verarbeitet werden und mehr als einmal stimmen die Rückschlüsse der Protagonisten nicht überein, was alles noch verzwickter macht.
Neben dieser Tätersuche werden etliche andere Themen behandelt, um den Personen mehr Gestalt und der Geschichte mehr Dichte zu verleihen. Welche Möglichkeiten der Klerus zu jener Zeit hatte, an immer größere Ländereien zu gelangen, wie das Verhältnis der Lehnsherren zu ihren Bauern war, welche Macht die Kirche allgemein hatte - bis hin zur Führung von Strafprozessen zu jener Zeit mithilfe der Inquisition und deren unheiligen Mitteln.
Überhaupt scheint das Buch sehr gut historisch recherchiert zu sein. Am Ende des Buches befindet sich noch ein Glossar mit den wichtigsten Begriffen sowie Näheres zum historischen Hintergrund. Auf keinen Fall sollte man Letzteres vor dem Ende des Buches lesen, denn sonst erfährt man nur vorab den Täter. Ich hätte jedoch nicht gedacht, dass die Kernhandlung (also der Kriminalfall) tatsächlich auf einem realen Fall beruht.
Der bildhafte Schreibstil zieht einen sofort in die Handlung hinein. Nicht zu einfach gehalten sondern wirklich schön und glatt zu lesen. Man rauscht nur so durch die Seiten. Ich hätte nie gedacht, dass ich dieses kräftige Buch so schnell gelesen bekäme aber es ging fast wie im Flug. An keiner Stelle hatte ich Verständnis- oder Orientierungsprobleme. Beachtenswert finde ich, dass dieses Buch trotz der vielen Morde ohne wirklich grausige Schilderungen auskommt. So wie sie in der Romanze auf ein Zuviel verzichtet, tut sie das auch bei den Greueltaten. Das gefällt mir persönlich sehr gut, da auf jede Effekthascherei verzichtet wird.
Das Cover finde ich auch haptisch toll mit seinem glänzend rot lackierten Titel und den erhabenen Buchstaben. Die umlaufenden Ranken sind ebenfalls hochglänzend und wirken auch sehr schön, obwohl es insgesamt schlicht wirkt - rundum gelungen! Lediglich auf die Einschläge des Einbands hätte man verzichten können, da sie viel zu starr sind um als Lesezeichen Verwendung zu finden. Da wäre ein Lesebändchen eindeutig praktischer gewesen! Wer gerne historische Krimis liest, der kann hier getrost zugreifen!