Stille Sehnsucht

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krimine Avatar

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Es geschieht an einem 12. Januar in Finnland. Ein Mann steigt aus Versehen an der falschen Haltestelle aus und durchquert einen Park. Während seines Spazierganges trifft er auf eine junge Frau, deren Erscheinung ihn fasziniert. Wie gebannt bleibt er stehen, dreht sich um, schaut ihr nach. Sie aber geht vorbei, völlig in Gedanken versunken, die Augen zum Himmel gerichtet. In diesem Moment ist etwas passiert, etwas hat sich verändert in dem Mann, der ihr nachschaut. Ohne dass sie es ahnt, hat sich ihre Erscheinung sich in sein Gehirn eingegraben, wird von nun an seine Gedanken beherrschen. 

Am nächsten Tag steigt der Mann erneut an der falschen Haltestelle aus, geht in den Park, voller Hoffnung die Frau wieder zusehen. Er hat Glück. Sie kommt, läuft an ihm vorbei, er schaut ihr nach. Von da ab kommt er jeden Tag. Mal läuft er ihr entgegen, mal sitzt er wartend auf einer Bank. Dann wiederum geschieht es, dass sie nicht kommt und der Mann wartet umsonst, aber voller Hoffnung auf den nächsten Tag. Als die Sonne immer öfter scheint, hat er Glück. Er findet ein Buch, das sie liegen gelassen hat. In ihm, mit Bleistift vermerkt, ein Name. Elena. Seit diesem Tag haben seine Gedanken eine Basis.

 

Von nun an, reicht ihm es nicht mehr, sie durch den Park laufen zu sehen. Zu schauen, was sie trägt, zu welcher Zeit sie kommt. Jetzt geht er ihr nach, immer öfter, bis zur Universität, in der sie jedes Mal verschwindet. Doch eines Tages kommt sie nicht mehr. Am Mittwoch nicht und auch nicht am Donnerstag. Vier Tage wartet er, voller Hoffnung, bis in ihm die Erkenntnis reift, dass Sommerferien sind. Betrübt verlässt er den Park. Das Warten hat keinen Sinn mehr für ihn. Er ist zerstreut, schläft schlecht. Seine Gedanken kreisen nur um sie. Als er es nicht mehr aushält, geht er zur Universität, um etwas über Elena herauszubekommen. Aber, wird er damit Erfolg haben? Hat er das Glück, sie jemals wieder zu finden?

 

Der Finne Joel Haahtela, der als Schriftsteller und Psychiater in der Nähe von Helsinki wohnt, hat mit „Sehnsucht nach Elena“ bereits seinen zweiten Roman in Deutschland veröffentlicht. Sein Debüt „Der Schmetterlingssammler“ überzeugte Leser und Kritiker gleichermaßen durch seine Poesie und Leichtigkeit. Und genau diese poetische Erzählweise ist es, die wir in seinem zweiten Roman wieder finden. Manchmal sind es eben die leisen, gefühlvollen Geschichten, die den Leser mehr bewegen, als ein spannender Thriller es je zu schaffen vermag. Doch auch in dieser Geschichte kommt die Spannung nicht zu kurz. Jedes Mal, wenn der Mann auf Elena trifft, fragt sich der Leser, wie geht es weiter, wann spricht er sie endlich an? Oder vielleicht auch sie ihn?

 

Kurz und knapp, ohne Schnörkel, aber voller Melancholie hat der Autor eine Geschichte geschrieben, die er aus der Sicht des Mannes erzählt. Unter Zuhilfenahme einer feinfühligen Charakterstudie schafft er es, tief in die Gedankenwelt seines Protagonisten einzutauchen und den Leser an dessen Gefühlen und Wünschen teilhaben zu lassen. Es ist die Schlichtheit des Buches, die überzeugt, die Sensibilität des Erzählers und die Ruhe, die von der Geschichte ausgeht. Joel Haahtela hat mit seinem Roman über die Sehnsucht eines Mannes ein brillantes und stimmiges Psychogramm gezeichnet, das ein nachhaltiges und angenehmes Leseerlebnis verspricht.