Selbsthilfe für "Fortgeschrittene"

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An Sorgen, Ängsten und Phobien leiden wahrscheinlich mehr Menschen als man zunächst annehmen würde. Darüber offen zu sprechen ist jedoch leider immer noch ein Tabu-Thema oder zumindest ein sehr selten angesprochenes in unserem täglichen Miteinander. Sabrina Fleisch ist selbst Betroffene, gibt ihre persönlichen Erfahrungen und Bewältigungsstrategien nun als Coach weiter und hat mit „Sei stärker als die Angst“ ein „Arbeitsbuch“ geschrieben, welches Besserung verspricht.

Zugegeben, der Untertitel „Ein Arbeitsbuch, das dein Leben verändern wird“ klingt nicht besonders seriös, dennoch lohnt sich die intensive Auseinandersetzung mit den Inhalten. Das Buch enthält sehr viele Aufgaben und Fragen und dazu auch den passenden Platz zum Aufschreiben, Malen, Reflektieren und Ehrlich sein. Die Bearbeitung braucht Zeit und Mut, in ein paar Tagen ist man nicht durch und auch nach Abschluss eines Kapitels lohnt es sich, nach einigen Wochen wieder zurückzublättern und erneut zu reflektieren.

Vorneweg sei gesagt, dass das Buch aus einer sehr nahbaren und emotionalen Art auf das Thema blickt. Die Autorin ist keine Psychotherapeutin oder Angstforscherin und kann nur aus ihren eigenen Erfahrungen und denen ihrer KlientInnen berichten. Wer theoretische Hintergründe und fundierte Studien sucht, ist deswegen bei diesem Buch an der falschen Adresse. Es handelt sich wirklich um sehr praxisnahe Aufgaben, die fast schon an ein intensives aber wohlwollendes Gespräch erinnern.

Mir hat vor diesem Hintergrund definitiv der Hinweis auf weitere Möglichkeiten wie z.B. Psychotherapie und Selbsthilfegruppen gefehlt. Gerade Personen mit akuten und schweren Angststörungen sollten sich nicht allein auf Ratgeber wie diesen hier verlassen, sondern sich professionelle Hilfe suchen und mit ihrem Umfeld sprechen, auch wenn das zunächst einmal eine unüberwindbare Aufgabe zu sein scheint. Der Glaube, mit ein paar Selbsttests wäre die „Diagnose“ klar und mit ein paar Textaufgaben die Angst aufgelöst, ist irreführend und das hätte die Autorin meiner Meinung nach auch ganz klar herausstellen müssen!

Mich persönlich hätte das Buch wahrscheinlich überfordert oder ich hätte es eher halbherzig ausgefüllt ohne zum wahren Kern zu gelangen, hätte ich nicht schon einige Jahre der Psychotherapie hinter mir. Für mich persönlich hat das Buch aber eine gute Ergänzung zur Therapiearbeit dargestellt und viele Übungen haben mir beim Ausfüllen geholfen, mich selbst wieder besser zu verstehen und Erkenntnisse zu verinnerlichen und zu wiederholen.

Das Format des Buches ist zum richtigen Arbeiten und Notieren tatsächlich eher ungeeignet, denn das Reinschreiben gestaltet sich wegen der Klappenbroschur eher ungemütlich. Das führte bei mir leider dazu, dass ich manchmal Antworten abgekürzt oder so hingekritzelt habe, dass ich es in ein paar Wochen wahrscheinlich nicht mehr so gut entziffern kann.

Insgesamt finde ich den Untertitel zwar immer noch etwas unglücklich und würde das Buch eher denjenigen empfehlen, die sich selbst und ihre Ängste schon ganz gut kennen und im besten Fall auch mit professioneller Begleitung daran arbeiten oder gearbeitet haben. Die Auseinandersetzung mit den eigenen Denkmustern und Impulsen, die beim Lesen kommen, empfand ich aber als sehr wertvoll, und der Stil der Autorin ist definitiv sehr positiv und motivierend.