Mehr emotionale Aufarbeitung als Recherche

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hannahliest Avatar

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Zora del Buono bezeichnet „Seinetwegen“ als den Roman einer Recherche. Einer autobiographischen Recherche. Die Idee dazu hat mir sehr gut gefallen. Sie berichtet von dem Unfalltod ihres Vaters vor 60 Jahren als sie selbst erst acht Monate alt war. Nun fühlt sie sich bereit, mehr über den Unfall und vor allem über den Unfallverursacher „E.T.“ zu erfahren. „Seinetwegen“ ist nicht in Kapitel unterteilt, was durchaus sinnig erscheint, da del Buono doch einige wilde Sprünge und Einschübe in ihre Erzählung einfließen lässt. Mit dem Schreibstil bin ich trotzdem gut zurecht gekommen und viele Exkurse waren durchaus interessant. Der Verlauf ihrer Recherchen war insgesamt spannend und der Wunsch nach Ergebnissen hat mich „Seinetwegen“ recht zügig lesen lassen.

Nun kommt man aber nicht umhin, die Intention der Autorin und die Art und Weise ihrer Recherche zu hinterfragen. Mir ist es nicht fremd nostalgisch zu sein und auch lang nach ihrer Zeit Ereignisse meines eigenen familiären Lebens zu hinterfragen und zu ergründen. Nichtsdestotrotz könnte man in „Seinetwegen“ den Eindruck gewinnen, dass es gar nicht so sehr die Recherche rund um den Unfall ist, der del Buono hier beschäftigt, sondern viel eher die Auseinandersetzung mit der eigenen Kindheit und dem Leben ohne Vater.

Die Recherche selbst ist bei weitem nicht so umfangreich, wie ich es erwartet hatte und auch del Buono ist scheinbar klar, dass die Leser*in ihr Handeln an der ein oder anderen Stelle möglicherweise nicht nachvollziehen kann. Zum Ende hin fiel es mir immer schwerer del Buonos Umgang mit der Thematik nicht abzulehnen. Zwar scheint sie ganz zuletzt doch loslassen zu können aber es wirkt fast ungesund auf mich, wie lange sie an gewissen Details festhält und sich darin verliert.

Die Idee und auch weite Teile der Umsetzung von „Seinetwegen“ sind für mich gelungen. Das Gefühl, dass del Buono gerade bei mir als „vaterloser“ Frau hinterlässt, ist es allerdings, dass mich diese Recherche nicht sonderlich genießen lässt. Möglicherweise ist es die Konfrontation mit eben jenen schweren Momenten des Lebens und dem nicht-loslassen-können, dass mich zwar durchaus del Buonos Schreibkunst an sich würdigen lässt, mir persönlich aber ein geringeres Lesevergnügen als erhofft bereitet hat.

Ein Buch, das nachwirkt aber vielleicht nicht auf die richtige Art und Weise.