Geteiltes Berlin

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern
nadines_buecher Avatar

Von

Interessanterweise beginnt die Leseprobe zu Michael Römlings Buch mit Kapitel zwei, in dem Julius mit seinem amerikanischen Schulfreund Jack, ganz im Stile der 60er Jahre in einer Großstadt, Julius' Geburtstag in einer Jazzkneipe feiern, aufgrund Jacks lässiger Art einer Schlägerei entgehen, einem begnadeten amerikanischen Saxophonisten lauschen und zwei süße Mädchen angraben, mit denen sie in der Diplomaten-Limousine von Jacks Vater in der Nacht an einen See fahren - nur um von den beiden ohne Kleidung und Auto während des Badens ausgetrickst und zurückgelassen zu werden. Ein heiteres, dekadentypisches Kapitel, das zeigt dass amerikanische Jungs großspurig sein und Mädchen frech sein mussten in der Weltstadt Berlin.
Das dritte Kapitel ist im russischen Sektor der Stadt angesiedelt, wo Georg und Bernhard, Julius' Bruder, auf einem Hochsitz ausharren um mit einer teuren Spezialkamera einen seltenen Luchs zu fotografieren. Jedoch werden sie, oder zumindest ihre Kamera, Zeugen eines Mordes, verübt von Russen. Die beiden können fliehen, obwohl sich einer der von ihnen gesichteten Männer bereits auf den Hochsitz begeben hatte, jedoch auf der Leiter wieder umgekehrt war. Mit ihren Fahrrädern machen sich die Freunde auf zum Haus von Bernhards Vater, in einem Dorf das bereits eine sowjetische Kaserne beherbergen muss und in dem die Landwirte enteignet und der LPG angeschlossen wurden. Dort machen sie eine grausige Entdeckung, finden Bernhards Vater vor, der sich offensichtlich erhängt hat. Hier wird die russische Willkür und die Überwachung und Leitung der Ostzone dargestellt.
Was ist im Wald wirklich geschehen? War, wie die Freunde meinen, ein amerikanischer Wagen beteiligt? Hat der Vater Selbstmord begangen oder wurde er umgebracht? Was erleben Julius und Bernhard in der DDR? Welche Rolle spielen Schallplatten, die Jack offenbar Julius besorgt? Wer wechselt die Seiten, wer ist gezwungen die Seiten zu wechseln?
Temporeich, ideenreich, fesselnd zu lesen - bis hin zur Beschreibung des Jazz-Stücks das an Julius' Geburtstag in der Bar Black Pepper gespielt wird - angesiedelt in einer Zeit, in der man heutzutage glaubt, dass es keine Jugend gegeben haben kann.