Hallstatt ganz ohne Kitsch

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petris Avatar

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Jeder kennt sie. Hallstatt, die Stadt am See, mit dem berühmten Beinhaus, der Saline, den idyllischen Häusern und den Bergen im Hintergrund. Eines der vielen Beispiele von overtourism, überlaufen, überfüllt, für die ursprünglichen Bewohner:innen oft nicht mehr lebenswert.
Hier startet Dominika Meindl ihre Geschichte. Johanna ist nach vielen Jahren in Wien zurückgekehrt in die Heimat, um dort die Arztpraxis ihres verstorbenen Vaters zu übernehmen. Damit brechen auch viele alte Geschichten über sie herein. Schräg gegenüber wohnt ihre Zwillingsschwester Doris. Sie ist nie weggegangen, hat hier die Schule besucht, ihre eigene Tischlerei eröffnet und einen Polizisten geheiratet. So unterschiedlich die Schwestern sind, als Zwillinge haben sie auch eine enge Verbindung, die nach und nach wieder auflebt.
Parallel dazu lernen wir Ren kennen. Nach einer Kindheit in Österreich, wuchs er in China auf und studierte dort. Sein Stiefvater, ein hoher Funktionär, ebnete seinen Weg. Ren ist Berater im Tourismusministerium, entwirft Konzepte für Binnentourismus und Tourismus aus dem Ausland und ist mit dabei, als die grandiose Idee geboren wurde, das bei Chinesen sehr beliebte Hallstatt einfach in China spiegelverkehrt nachzubauen.
Schon die Rahmenhandlung ist skurril und spannend. Aber noch mehr lebt der Roman davon, wie uns die Autorin ihre Charaktere näherbringt. Sie sind sehr menschlich gezeichnet, haben Zweifel und Ängste, Fehler und gute Seiten. Man kommt ihnen schnell nahe und lebt mit ihnen mit. Wie es für Johanna ist, wieder zurück zu sein, wie Doris einerseits ihren Beruf liebt und andererseits oft an ihre Grenzen stößt, wie Ren seine Ideen entwickelt, was er beobachtet.
Ganz nebenbei fließt auch ganz schön viel Gesellschaftskritik ein, über Tourismus, über die globale Welt, über das Leben von Migrant:innen,… Doch nie mit dem Holzhammer, sondern immer sehr stimmig eingebettet in diese spannend erzählte Geschichte.
So kommen in diesem gelungenen Roman sehr viele Ebenen, sehr viele Geschichten und Themen vor, ohne dass er überladen wirken würde. Das Buch ist skurril, humorvoll, aber eben auch voller ernster Themen. Und in keinem Moment kitschig.
Ich habe ihn von der ersten Seite an mit Begeisterung gelesen. Für mich eins der Lieblingsbücher bisher in diesem Jahr!