Ein aufrüttelndes Debüt

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern
wörterkatze Avatar

Von

Für “Shuggie Bain” wurde Douglas Stuart im vergangenen Jahr mit dem Booker Prize ausgezeichnet. Schon damals fiel mir das Buch ins Auge und ich hoffte sehr, dass sich ein deutschsprachiger Verlag die Lizenz sichern würde. Der Hanser Verlag hat dies schließlich getan und mit Sophie Zeitz eine sehr gute Übersetzerin für das Werk gefunden. Mit der Übersetzung steht und fällt jedes Werk und Sophie Zeitz hat "Shuggie Bain" sehr gekonnt übersetzt.

Das Buch nimmt mich immer noch mit, obwohl ich es schon vor ein paar Tagen beendet hatte. Die Geschichte von Agnes und Shuggie musste sich erst einmal setzen, bevor ich meine Gefühle in Worte fassen konnte. Douglas Stuart ist mit “Shuggie Bain” ein atemberaubendes Debüt gelungen, für das er zurecht den “Booker Prize” 2020 gewonnen hat. Es ist zum Teil autobiografisch und beginnt im tristen Glasgow der 80er Jahre des 20. Jahrhunderts zur Zeit der Thatcher-Ära.

Shuggie Bain ist anders, für einen Jungen unheimlich feinfühlig und feminin, er passt sogar nicht in die raue Arbeiterwelt Glasgows. Hineingeboren in eine Familie, die alles andere als eine behütete Kindheit gewährt. Ein gewalttätiger Vater, eine alkoholkranke Mutter und zwei Geschwister, die versuchen sich so schnell wie möglich aus der desaströsen Familiensituation zu befreien. So bleibt Shuggie auf sich selbst gestellt und versucht verzweifelt seine Mutter zu retten. Dieser kleine Junge ist mir ans Herz gewachsen. Seine Sensibilität, die Art wie er versucht seine Mutter zu retten brechen einen das Herz, gleichzeitig kann er auch unheimlich schlagfertig sein, sodass ich über diesen kleinen Jungen lachen musste, da gerade diese Szenen dann, die Trostlosigkeit seines Lebens durch den Humor unterbricht.


Auch Agnes ist mir nahegekommen. Stellenweise wollte ich diese Frau einfach nur schütteln und ihr sagen, komm zur Besinnung, du hast einen wundervollen kleinen Sohn. Dann gab es Momente, in denen ich sie am liebsten in den Arm genommen hätte, und getröstet hätte, immer dann, wenn ihr Mann mal wieder unmöglich war, das knappe Geld nicht reichte und das Sozialamt herhalten musste.

Der gewaltige Sprachstil von Douglas Stuart lässt einen nicht los. Oft musste ich das Buch mal zwischendurch zuklappen um wieder Atmen zu können. So sehr hat mich Shuggies Geschichte, die im Grunde genommen die Lebensgeschiche von Douglas Stuart ist, mitgenommen. Zugleich ist dieser autobiographische Roman eine Milieustudie der Thatcher-Zeit in Glasgow. Er beschreibt diese Trostlosigkeit, die Armut, das raue Klima unter den Bürgern Glasgows deutlich und prägnant. Das gesamte Buch hat einen traurigen Unterton und Shuggies Leben war hart mit dem Mobbing in der Schule, den stets wechselnden Liebhabern der Mutter und der Armut. All dies schreibt Douglas Stuart mit einer wohlklingenden Sprache, bildreich, detailreich, hart, teilweise liebevoll, teilweise deutlich nieder. Eine Sprachgewalt, die ihresgleichen sucht. Eine Sprache, die einen fordert, eine Sprache, die einen dranbleiben lässt, eine Sprache, die einen nicht loslässt – wie das Buch auch. Shuggie Bain klingt nach und wird eines meiner Jahreshighlights sein. Wenn, nicht sogar das Highlight des Jahres.


Fazit


“Shuggie Bain” ist ein grandioses Debüt. Ein wundervolles Buch über eine Mutter-Kind-Beziehung, die einen nicht loslässt, die einen aufrüttelt und nachdenklich zurücklässt. Klare Leseempfehlung.