Eindrucksvolle Milieustudie

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cjaay Avatar

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Der Roman erzählt die Geschichte einer Arbeiterfamilie in Glasgow in den 80er Jahren. Im Mittelpunkt steht die Familie Bain, Mutter Agnes und die drei Kinder Catherine, Alexander „Leek“ und Hugh „Shuggie“. Agnes wollte schon seit ihrer Kindheit dem Arbeitermilieu entfliehen, nach einer unglücklichen Ehe erhofft sie sich einen Neuanfang mit Shuggies Vater Shug, der sie aber von Anfang an betrügt, und nach dem Umzug in eine trostlose Arbeitersiedlung am Stadtrand die Familie verlässt. Das Leben in Glasgow ist zu dieser Zeit geprägt vom Niedergang der Kohle- und Schwerindustrie, die Mehrzahl der Familienväter ist arbeitslos, sodass die wöchentlich ausbezahlte Sozialhilfe ein großes Thema ist, Geld, dass in vielen Fällen in Alkohol umgesetzt wird. Agnes ist wie viele ihrer Nachbarn stark alkoholabhängig, versucht aber immer den Schein zu wahren, indem sie sich sorgfältig kleidet und schminkt, und auch ihren jüngsten Sohn dazu veranlasst, auf sein Äußeres zu achten. Shuggie ist in den Augen seiner Umwelt kein richtiger Junge, er ist sensibel, bewegt sich mädchenhaft, hat wenig Interesse an Sport, beschäftigt sich lieber mit Kleidung, Frisuren, schönen Dingen und bleibt deshalb in der rauen Welt, in der er aufwächst, ein Außenseiter. Außerdem ist er vollauf damit beschäftigt, auf seine Mutter aufzupassen, die wechselnde Männerbekanntschaften pflegt, in der Regel nicht in der Lage ist, den Haushalt zu führen und Suizidversuche unternimmt. So lebt Shuggie in ständiger Anspannung. Seine älteren Geschwister schaffen es, sich aus dieser zerstörerischen Situation zu lösen, Catherine verlässt die Familie, Leek distanziert sich, doch Shuggie als Jüngster, am Ende des Romans 15 Jahre alt, scheitert schließlich beim Vorhaben seine Mutter zu retten.

Der Roman, der den Booker Preis 2020 erhalten hat, ist keine Unterhaltungslektüre, das dürfte schon beim Lesen des Klappentextes klar sein. Trotzdem hinterlässt er den tröstlichen Eindruck, dass ein Kind, auch wenn es unter den widrigsten Bedingungen aufwächst, hoffnungsvoll in die Zukunft gehen kann.