Keine einfache Lektüre

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Der Debütroman "Shuggie Bain" konnte für mich persönlich nicht halten, was ich mir davon versprochen hatte. Viele lobende Kritiken und natürlich der Booker-Prize haben dazu geführt, dass ich mit sehr hohen Erwartungen an die Lektüre gegangen bin. Aber irgendwie blieb ich nach der Lektüre doch sehr zwiegespalten zurück. Der Roman spielt im tristen Glasgow der 80er oder 90er Jahre, das Leben dort in der Arbeitersiedlung ist für die Protagonisten trostlos und ohne Zukunftsperspektiven. Aus diesem Grund flüchten sich auch die meisten von ihnen in den Alkohol und ihr Leben ist bestimmt von Arbeitslosigkeit, materieller Not und Gewalt. Der kleine Shuggie wächst in diesen schwierigen Verhältnissen auf und muss sehr früh lernen, damit klarzukommen, dass auch seine Mutter, mit der er alleine lebt, dem Alkohol verfallen ist und somit für ihn keine zuverlässige erwachsene Vertrauensperson ist. Im Gegenteil: Shuggie muss eher die Rolle des Erwachsenen einnehmen, für sich und seine Mutter sorgen und die Verantwortung für sie mitübernehmen. Die Thematik ist grundsätzlich sehr interessant, die derbe Sprache, in der der Autor die Geschichte erzählt, vermittelt eigentlich sehr gut das kalte, herzlose und tieftraurige Umfeld, in dem der Junge aufwächst. Das ist sicher sehr realistisch, man kann sich vorstellen, wie hart das Leben zu dieser Zeit für die Menschen dort gewesen sein muss. Dennoch hat mich der Roman an keiner Stelle so richtig gepackt, ich hatte auf den ersten 150 Seiten regelrecht Schwierigkeiten, mich überhaupt auf die sperrige Geschichte und die düstere Atmosphäre einzulassen. Mich hat gestört, dass ich als Leser bis zum Schluss in der Perspektive des Außenstehenden, des Zuschauers blieb. Ich konnte mich in keine der Figuren auch nur ansatzweise einfühlen und hatte gleichzeitig den Eindruck, dass das vom Autor durch seinen Schreibstil, seine Sprache durchaus so gewollt war. Als ich nach der Lektüre des Buches ein Interview mit dem Autor gelesen habe und erfuhr, dass der Roman eigentlich sehr autobiographisch ist, hat mich das im Nachhinein doch berührt, aber meine Meinung über den Roman nicht wirklich geändert. Das Buch ist lesenswert, wenn man sich mit dem Schreibstil des Autors anfreunden kann.