Unsichtbare Narben

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dicketilla Avatar

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Was hätte werden können, diese Frage stellt man sich oft im Leben.
Hätte die Großmutter, Sarah Donbell, einen anderen Mann geheiratet, und nicht diesen Mann, der sich später als ein verurteilter Mörder heraus stellte, wäre das Leben ihrer Tochter sicher anders verlaufen. Doch das sollte sie nicht mehr erfahren, sonst hätte sie ihm sicher nicht die 2 jährige Pauline, nach ihrem Tod anvertraut, worum ihre Familie vergeblich um deren Sorgerecht rang.
Der Vater heiratete wieder, und so hatte sie 7 Geschwister bekommen, die sie wie ihre eigenen Kinder umsorgte, behütete, aber dennoch nicht retten konnte. Der gewalttätige Vater, immer betrunken und sich an seinen Töchtern verging.
So vergingen 40 Jahre, bis die Familie das einstige kleine Mädchen wieder sah, die inzwischen in London lebte, ihrer Heimat Südafrika vor Jahren den Rücken kehrte. Nie sprach sie über ihre Vergangenheit. Doch als sie im Sterben lag, erzählte sie von ihrem Vater, den sie verhaften ließ, dennoch in einem Aufsehen erregenden Prozess freigesprochen wurde, von einem Richter, der später Nelson Mandela für Jahre hinter Gitter bringen sollte. Von der Stiefmutter gedeckt, im Kreuzverhör ihr und das Leben ihrer Geschwister zerstört wurde.
6 Monate nach ihrem Tod beginnt ihre Tochter, die fehlenden Puzzelteile aus dem Leben ihrer Mutter, zu suchen. Sie fliegt von London nach Johannesburg, genau in dem Alter, als einst ihre Mutter das Land verließ. Ein Land, dass sie zwar zweimal wieder besuchte, in dem sie aber niemals wieder zurück kehrte.

Die meisten Geschichten der Mutter beinhalteten immer eine Moral.
“ Sieh lebendig aus oder stirb.” (S.42)
Ihre Urteile waren immer willkürlich, endgültig. übte immer Druck aus, das Beste aus sich heraus zu holen. Diesen Druck verspürte sie selbst noch nach dem Tod der Mutter, die sie immer behütete, besorgt war. Mit 28 Jahren nach London ging, genau in dem Alter, indem sich ihre Tochter jetzt auf den Weg nach Johannesburg machte. Sie studiert Gerichtsakten, Protokolle um mehr über den Prozess, den Großvater zu erfahren. Kommt mit Familienmitgliedern zusammen, und immer wenn sie hofft der Wahrheit näher zu kommen, baut sich eine Mauer des Schweigens auf.

Das Buch von Emma Brockes ist eher eine Biografie, als ein Roman. Die Handlung wechselt zwischen Erinnerungen Emmas an ihre Mutter, ihren Nachforschungen und den Besuchen bei Freunden und der Familie ihrer Mutter. Leider hält sich die zu Beginn für mich sehr neugierig machende Erzählweise nicht, sondern verfällt in endlose Passagen , die etwas zäh daher kommen.
Dennoch ist es ein Buch über das Leben einer sehr , schönen, starken Frau, die nicht an ihrem Schicksal zerbricht, sondern es ausklammert, ein neues, glückliches Leben findet, obwohl sie die Schatten ihrer Vergangenheit nie abwerfen konnte, ihr Schweigen immer nur in Bruchstücken aufbrach.
Die begleitenden Fotos wirken sehr friedlich, zeigen glückliche Gesichter, deren Narben verdeckt bleiben.