Wo ist die souveräne Verknüpfung der zwei Lebenswege?

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katicey Avatar

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„Souverän verknüpft Felix Kucher die sehr unterschiedlichen Lebenswege zweier Frauen, die jede auf ihre Art dem Faschismus überzeugend entgegentreten.“ Diesen Satz, der dem KLAPPENTEXT entnommen ist, habe ich so oder ähnlich in einigen anderen Rezensionen gelesen. Leider kann ich dieser Aussage, die vorab einige Erwartungen bei mir geweckt hatte, nicht zustimmen.

Das Buch beschreibt die Lebenswege zweier Frauen während der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts. Die Italienerin Tina Modotti stammt aus einer armen Arbeiterfamilie. Einen Teil ihrer Kindheit verbringt sie in Klagenfurt. Nach ihrer Rückkehr nach Italien bricht sie die Schule ab und sichert mit ihrem Fabriklohn das Überleben ihrer Familie. Später folgt sie ihrem Vater nach Amerika, wo sie unter anderem als Weberin, Schauspielerin und Model arbeitet. Anfang der 20er-Jahre folgt sie ihrem Mann nach Mexiko, wo ihrer Karierre sowohl als Fotografin als auch als Revolutionärin beginnt. Ihr Weg führt sie dabei u. a. nach Berlin, Leningrad, Paris und schlussendlich zurück nach Mexiko. Zeit ihres Lebens setzt sie sich für die kommunistische Idee ein.

Ganz anders die jüdische Marie Rosenberg aus Fürth. Sie will Ärztin werden, gibt aber letztendlich dem Wunsch des Vaters nach und übernimmt die elterliche Buchhandlung. Bis zuletzt hofft sie, dass es sich bei dem offen gelebten Judenhass um eine vorübergehende Erscheinung handelt. Buchstäblich in letzter Sekunde flüchtet sie 1939 nach New York und fungiert kurzerhand ihre kleine Wohnung eine Buchhandlung um. Mit viel Fleiß und Durchhaltevermögen schafft sie es, in den Vereinigten Staaten zu der Institution für deutschsprachige Literatur zu werden.

Die geschilderten Schicksale beider Frauen beruhen auf Überlieferungen aus ihren echten Leben, zwischen denen es keinerlei Berührungspunkte gab. Auch im Buch von Felix Kucher lernen sich die beiden Frauen nie kennen. Aktuell werden viele Romane veröffentlicht, deren Handlung auf mehreren Erzählebenen abläuft. Doch immer finden diese Ebenen irgendwie zusammen und haben einen echten Bezug zueinander. In diesem Buch werden dagegen zwei paralell ablaufende, aber völlig voneinerander unabhängige Geschichten erzählt. Es werden zwar drei Momente geschildert, in denen vielleicht die Möglichkeit eines Kennenlernens bestanden hätte. Von der eingangs erwähnten „souveränen Verknüpfung“ kann aber meines Erachtens keine Rede sein. Vielleicht wäre es sinnvoller gewesen, die Geschichten der beiden Frauen getrennt voneinander zu veröffentlichen.

Während ich am Anfang des Buches noch ganz gespannt war, wie das Leben der Frauen verlaufen würde, ließ mein Interesse im Verlauf immer mehr nach. Gerade die vielen Dialoge über Revolution, Kunst und Philosophie in Tinas Geschichte empfand ich teilweise als recht langatmig. Dabei hätte ihr Leben so viel mehr interessanten Lesestoff hergegeben. Durch den ständigen Wechsel zwischen Tina und Marie kam ich leider auch nie richtig in einen Lesefluss. Kaum hatte ich mich in die Geschichte von Tina eingelesen, musste ich mich – teilweise nach gerade einmal 2 Seiten – wieder auf Marie einstellen und andersherum. Mit ein paar mehr Seiten vor jedem Wechsel hätte ich vielleicht eine Beziehung zu den Protagonistinnen aufbauen können. So aber war es nur ein Lesen ohne wirklich in die Geschichten einzutauchen.

Schade finde ich auch, dass es keinerlei Anmerkungen des Autors gibt, inwieweit er Fakten mit fiktionalen Elementen gemischt hat. Eine kurze entsprechende Zusammenfassung hätte das Buch wunderbar abgerundet.
Dies war mein erstes Buch von Felix Kucher und leider bin ich damit nicht so richtig warm geworden. Allerdings hat mir sein Schreibstil sehr gut gefallen und die einzelnen Charaktere waren gut herausgearbeitet. Ich könnte mir durchaus vorstellen, mich noch an einem anderen Buch des Autors zu versuchen.