Eine eher bis ziemlich tragische Familienweihnachtsgeschichte

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laberlili Avatar

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Vom zeitlichen Setting her passt „Sieben Tage Wir“ eigentlich hervorragend in die Weihnachtszeit, spielt der Roman doch vor Allem zwischen den Jahren: Auf die Quarantäne folgt ein neues Jahr, aber ob dieser Abschluss auch einen Neubeginn symbolisieren wird, bleibt (lange) fraglich.

Die Familie Birch hat beschlossen, die einwöchige Zeitspanne nach der Heimkehr der ältesten Tochter Olivia, die als Ärztin in Liberia tätig war und dort hochansteckende Haag-Patienten betreut hat und aus Sicherheitsgründen zu einer siebentägigen Quarantäne verpflichtet ist, gemeinsam in ihrem Herrenhaus auf dem Land zu verbringen. Es bleibt allerdings unklar, wer genau das beschlossen hat; es scheint in erster Linie ein Wunsch der Mutter gewesen zu sein. Olivia hätte lieber allein und abgeschottet die Quarantäne überstanden; ihre jüngere Schwester Phoebe sieht Olivia als für sich unerreichbare Konkurrenz um die Gunst ihrer Eltern an und ist als Luxus- und Glamourgirl der totale Gegensatz zur humanitär engagierten und sich bedingungslos einsetzenden Schwester. Der Vater berichtete früher aus Kriegsgebieten, ist Olivia gar zu ähnlich, um sich mit ihr zu identifizieren, und ist längst als eher verbitterter, spöttischer Restaurantkritiker aktiv. Die Mutter versucht eine Heile-Welt-Fassade hinaufzubeschwören, die innerhalb dieses „Quarantäne-Sperrgebiets“ ohnehin kaum aufkommen kann, und verheimlicht eine ihr just gestellte Krebs-Diagnose ebenso wie ihr Ehemann vor seiner Familie geheimhält, dass der unbekannte, von ihm gezeugte, Sohn sich gemeldet hat, der nun von den USA aus nach England aufbricht und seinen Vater gerne treffen möchte. (Keine Spoiler, sondern diese Infos werden bereits in der kurzen Leseprobe vom Anfang des Romans ersichtlich).
Das sind nicht die einzigen Geheimnisse von Familienmitgliedern.

Die Quarantäne beginnt damit, dass quasi jeder der Birchs ganz eigen vor sich hinbrötelt; die Distanz zwischen den einzelnen Familienmitgliedern wird ersichtlich, Herzlichkeiten gibt es eigentlich nur innert 1:1-Begegnungen; die Familie ist weniger Familie als vielmehr Ansammlung von zufällig miteinander bekannten Privatpersonen.
Insgesamt wirkten die Birchs auf mich nun wie der Prototyp der Familie, die sich eigentlich längst nichts mehr zu sagen hat, Weihnachten aber miteinander verbringt, „weil man das halt so macht“. Dabei hätten sich die Familienmitglieder, wie man als Leser von vornherein weiß, theoretisch noch so viel zu sagen; hier zieht sich so ein unbehaagliches Schweigen und Zaudern durch die Geschichte; die Birchs scheinen sich so fremd zu sein, dass letztlich der „neue Sohn“ Derjenige ist, dem am Offensten gegenübergetreten wird.

„Sieben Tage Wir“ ist ein sehr vorsichtiger Roman; alles passiert nur ganz gemächlich; der Roman strahlt eine eher düstere Atmosphäre aus, die zugleich aber von vielen Hoffnungsschimmern durchbrochen wird. Von Kapitel zu Kapitel, mitunter auch von Szene zu Szene, wird eine andere der Figuren beleuchtet und in den Mittelpunkt gerückt und man merkt immer mehr, wie all die noch existierenden Geheimnisse kurz vor dem Platzen stehen. Das schien mir allerdings nicht bedrohlich zu sein: dramatisch ja und auch überbordend, aber nicht niederwalzend und zerstörend. Für mich hatte das alles diesen Anstrich, dass die Familie gemeinsam alles überstehen können würde, dass sie aber erst noch (wieder?) zu dieser Gemeinschaft werden mussten.
Teils war das alles doch sehr melancholisch angehaucht.

Letztlich fand ich „Sieben Tage Wir“ doch ein wenig bedrückend, zu schwermütig für einen „schönen“, eher rührseligen Weihnachtsroman. Je kürzer die Tage und dunkler die Nächte werden, desto niederschmetternder scheint mir diese Geschichte nachzuhallen. Dann vielleicht doch lieber im Hochsommer lesen, wenn das alles nicht so nachhallt und einen nicht zu sehr bewegt, nicht gleich bis an die Substanz gehen kann. Ich fand die Handlung insgesamt schon eher deprimierend, zwar auch sehr nachdenklich (machend), aber ein Gute-Laune-Buch oder ein „Juhu, es ist Weihnachten!“-Roman ist dann doch eindeutig eine ganz andere Sorte Buch.
Die Auflösung rund um Olivia war, wie ich fand, bald zu erahnen, aber das ganz große Ende ihrer Geschichte war dann doch ein bisschen wie ein Schlag in die Magengrube; das war mir dann schon fast ein Drama zuviel.

„Sieben Tage Wir“ war letztlich ein Roman, den ich am Stück weggelesen habe, weil ich so gerne wissen wollte, wie sich diese ganze Geheimniskrämerei weiterentwickelt und wie das alles schließlich ausginge; der Schreibstil hat mir auch sehr zugesagt und ich würde sicher Weiteres der Autorin lesen – man sollte in diesem Fall aber nicht unbedingt ein komplett rundes „Friede, Freude, Eierkuchen“- bzw. „everybody happily ever after“-Ende erwarten wollen. „Sieben Tage Wir“ ist halt eben keiner dieser rührseligen Weihnachtsromane mit fulminant kitschigem Schluss, der zahnschmerzenverursachend süß wäre. Was nun nicht meint, dass am Ende alles noch schlecht(er) als eingangs wäre…