Hin- und hergerissen

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throughmistymarches Avatar

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Ich bin ein wenig hin- und hergerissen. Einerseits war ich angetan von der wunderschönen atmosphärischen Sprache, die den Eindruck eines langen, heißen Sommertages erweckt, während die Handlung langsam dahinplätschert. Dass die Autorin Maureen Daly selbst erst 17 war, als sie den Roman 1938 geschrieben hat, lässt mich diesen tollen Stil umso mehr bewundern. Andererseits sind da allerdings die grottig gestelzten Dialoge und ich bin mir nicht sicher, ob es ausschließlich an der Übersetzung liegt (so spricht bzw. sprach niemand). Hinzu kommt die nicht unbedingt sehr sympathische Erzählerin – liegt es an ihrer Passivität oder scheint sie so passiv, weil sie sehr selektiv erzählt? Das führt auch dazu, dass für mich null Chemie zwischen Angie und Jack, den Protagonisten der Liebesgeschichte aufkommt. Schließlich ist da auch noch der historische Kontext; der Roman offenbart den Druck, sich gesellschaftlichen Normen zu beugen, was häufig in Oberflächlichkeit resultiert. Ich tat mich schwer vor allem mit dem Frauenbild. Alles dreht sich darum, ob ein Mädchen „mit einem geht“, sie ist erst dann jemand, wird erst dann gesehen und ist erst dann wirklich Teil einer Gruppe. Wer dieser „eine“ ist, ist relativ egal, Hauptsache männlich. Sätze wie „als Mädchen muss man eben mit irgendjemandem gehen“ machen mich leicht aggressiv. Je länger ich darüber nachdachte, desto weniger liegt es ausschließlich am historischen Kontext als am Genre – ist es nicht auch heute in vielen Teenie-Lovestories nach wie vor so, dass sich alles darum dreht, dass das stille, brave Mädel einen Kerl abkriegt und plötzlich beliebt ist? Dass das Buch 1942, als es erschien, kontrovers war, ist aufgrund der Themen, die teilweise relativ direkt angesprochen werden, durchaus nachvollziehbar. Zum Abschluss noch eine schöne, zeitlose Passage: „Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass ich klug und richtig gut sein könnte, wenn ich nicht vor so vielen Dingen Angst hätte – wenn ich nicht so viel Zeit damit verbringen würde, darüber nachzudenken, warum ich nicht bin, was ich nicht bin.“