Gewalt und das Schweigen darüber

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adelheid von buch Avatar

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Die Geschichte dreht sich um eine junge Frau, die als Ich-Erzählerin agiert. Man kann ihre psychische Erschöpfung deutlich spüren. Sie ist schon seit einer Weile sehr verzweifelt, kennt bereits die Adresse eines Psychiaters, den sie heute aufsucht. Die Frau verbringt den Tag im Warteraum der Psychiatrie. Im Verlaufe des Romans erfahren wir von ihrer entwurzelten Kindheit zwischen merkwürdigen Charakteren. Alles dominierend agierte ihr Stiefvater Siegfried, an dessen Interessen das Familienleben ausgerichtet war. Siegfried ist immernoch permanent präsent in den Gedanke der jungen Frau. Er gab Rahmen und Sicherheit. Doch jetzt blockieren die von ihm erzeugten Strukturen die Protagonistin in ihrem Vorankommen. Im Roman werden die Ereignisse ihrer Kindheit nicht beim Namen genannt. Es gibt nur jede Menge Hinweise und Indizien auf die schlimmen Vorkommnisse, denen sie ausgesetzt war und deren Ursachen bis in die Zeit der NS-Ideologie zurückreichen. "Siegfried ist ein Roman ... über eine Generation, deren Eltern nach dem Krieg geboren wurden und deshalb glaubten, er sei vorbei."
Jetzt aber ist für die Protagonistin der Moment gekommen, alles das hinter sich zu lassen und endlich ihr eigenes Leben mit eigenen Prämissen zu leben.
Am Abend verlässt die Protagonistin die Psychiatrie wieder, ohne mit einem Arzt gesprochen zu haben. Lediglich eine Schwester kümmert sich um sie und bringt ihr einen Krug Wasser. Diese symbolische Szenerie finde ich ganz besonders gelungen. Die Arbeit muss der Patient eben immer selbst tun. Er braucht nur einen Ort dafür und jemanden, der ihm beisteht.
"Siegfried" ist ein hervorragender Roman mit ausgezeichnet gestalteten Figuren und wunderbar subtilen Anspielungen. Das Buch ist ein wahrer Lesegenuss.